Podiumsdiskussion in Neuss Mehr Finanzkompetenz gegen die Schuldenfalle

Neuss · Die Wirtschaft boomt seit Jahren und dennoch geraten immer mehr Menschen in die Schuldenfalle. Wie kann das sein? Der CDU-Abgeordnete Jörg Geerlings sprach mit Experten über die Ursachen von Überschuldung.

  Der Landtagsabgeordnete Jörg Geerlings (3.v.l.) im Kreis seiner Experten.

Der Landtagsabgeordnete Jörg Geerlings (3.v.l.) im Kreis seiner Experten.

Foto: Monika Henke/CDU

Diese Frage beschäftigt Jörg Geerlings. Der Landtags-Abgeordnete holte jetzt Profis in die CDU-Geschäftsstelle, um der Sache auf den Grund zu gehen. André Becker von der Creditreform Neuss-Düsseldorf bestätigte die gute wirtschaftliche Lage: „Der letzte Geschäftsklima-Index hat das Allzeit-Hoch nur knapp verpasst.“ Chris Proios von der „Creditreform Konjunkturforschung Regional“ bestätigte die Zunahme der Überschuldungsquote. Im Rhein-Kreis Neuss galten 2018 genau 10,62 Prozent der Menschen als überschuldet. In Nordrhein-Westfalen liegt die Quote bei 11,69 Prozent. „Arbeitslosigkeit ist nach wie vor der wichtigste Auslöser für eine Überschuldung“, erklärte Proios. Weitere Gründe seien Erkrankung, Sucht, Unfälle und in zunehmendem Maße unwirtschaftliche Haushaltsführung. Auffällig ist, dass Menschen bis Mitte 30 mit ihrem Einkommen oft nicht auskommen. Der 60-Jährige hält neben  mehr Insolvenz- und Schuldnerberatung auch Investitionen in eine gute Bildung für erforderlich. Die Statistiken zeigen nämlich, dass Hauptschüler häufiger Probleme mit Schulden haben als Menschen mit höherer Bildung.

„Es ist teilweise erschreckend, wie hoch die Verschuldung in den einzelnen Stadtteilen ist“, sagte Jörg Geerlings. Besonders stark sei das Barbaraviertel betroffen.

„Knete, Krisen, Kompetenzen“: So nennen die Sparkasse und die Volksbank ihr Programm gegen Überschuldung, mit dem sie in die Schulen gehen. Stephan Meiser von der Sparkasse Neuss erklärte, dass man ebenso wie die Volksbank Verantwortungsbewusstsein bei der Vergabe von Krediten zeige: „Wir achten darauf, dass der Kredit  bedient werden kann.“ Proios bestätigte das und beklagte zugleich, dass Privatbanken – vor allem die ausländischer Herkunft – ganz anders vorgehen. Zum Schaden der Kunden.

Stephan Lommetz von der Geschäftsführung der Stadtwerke Neuss erklärte, dass sein Unternehmen viel früher eingreife, wenn Zahlungen ausbleiben. Das zahlt sich aus: „Während wir früher in rund 1500 Fällen den Strom sperren mussten, geschieht dies jetzt nur noch etwa 1000 Mal im Jahr.“

Senioren geraten immer öfter in finanzielle Bedrängnis. Die Seniorenbeauftragte Karin Kilb erklärte, dass es zumeist Frauen  mit  kleinen Renten sind, die sich von ihr beraten ließen. Dorothea Khairat von der Verbraucherzentrale Neuss sieht Bedarf, die Finanzkompetenz   zu stärken. Neben Handyverträgen seien  Verträge mit Datingportalen für viele eine Belastung – bei Vertragsabschluss sei ihnen die finanzielle Tragweite oft nicht bewusst.

Caritas-Direktor Norbert Kallen beklagte: „Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind mit Informationen überfrachtet, die  keiner versteht.“ SKM-Schuldnerberater Uwe Simons kritisierte, dass viele Ratsuchende  zu spät zu ihm kämen.

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