Neuss Bunker liegen versteckt unter der Stadt

Neuss · Peter Ritters beschäftigt sich seit vielen Jahren im Auftrag der Stadt mit den Bunkern von Neuss. Der NGZ hat der 65-Jährige einen dieser Schutzräume gezeigt – ein Zeitzeugnis aus mittlerweile längst vergangenen Kriegstagen.

Neuss: Bunker liegen versteckt unter der Stadt
Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Groß sieht er auf dem Zeichnung aus, der Bunker unter der Grünanlage an der Fontanestraße. Doch wer mit Peter Ritters hinabsteigt in diesen Luftschutzraum aus dem Zweiten Weltkrieg, der ahnt schnell: Sehr beengt muss es dort gewesen sein für all jene Menschen, die in dem Bunker Schutz suchten vor dem Bombenhagel.

"Für die Menschen damals war es ein sicherer, aber auch ein schrecklicher Ort", sagt Ritters, der bei den städtischen Liegenschaften arbeitet und seit vielen Jahren all jene Bunker betreut, die zum Eigentum der Stadt zählen. Sehr viele sind das nicht, nur sechs Bunker gehören dazu, die übrigen – rund 50 sind offiziell bekannt – gehören dem Bund oder sind in Privatbesitz. Ein Grund, warum Ritters die tatsächliche Zahl der Bunker noch viel höher einschätzt: "Viele Neusser wissen gar nicht, was im Vorgarten alles vergraben ist", sagt der 65-Jährige und schmunzelt.

Der Bunker an der Fontanestraße, der in Sichtweite des alten Finanzamts liegt, ist im Vorübergehen zwar zu erkennen, denn die Decke des Bunkers ragt heraus, ebenso die Lüftungsschächte. Doch das Bauwerk ist verdeckt, auf dem Sockel ist in den 1950er Jahren Erde aufgeschüttet worden. Büsche und Sträucher verdecken mittlerweile den Bunker, in der Mitte stehen zwei in die Jahre gekommene Parkbänke. Der Eingang zum Bunker liegt versteckt an der Seite des Bauwerks zur Schillerstraße hin. Stufen führen hinunter zu den zwei Luftschutzräumen, die auch im Hochsommer angenehm kühl sind. "Der Bunker ist einer der besterhaltenen in der ganzen Stadt", erzählt Ritters, während er den Lichtschalter sucht. Denn nur die Leuchten an der Treppe lassen sich oben anknipsen, unten muss der Experte erst eine aus den Angeln gefallene Tür bändigen, bevor auch die dortigen Räume im fahlen Neonlicht zu sehen sind.

An den Wänden, wo zu Kriegszeiten Menschen dicht gedrängt aneinander saßen, blättert heute rote Farbe ab. "Die ist noch original", sagt Ritters. In den Jahren darauf sind Graffiti-Bilder hinzugekommen, denn zwischenzeitlich hatte die Stadt diesen Bunker als Proberaum für Musiker vermietet, da die meterdicken Mauern schalldicht sind. Doch Bands haben unter der Fontanestraße schon länger keine Musik mehr gemacht. Denn die Brandschutzregeln erlauben es mittlerweile nicht mehr, Räume zu vermieten, die keinen zweiten Ausgang haben – "und das ist hier der Fall", sagt Ritters, während er einen der beiden Räume durchschreitet, um den Luftabzug zu zeigen, der sich jeweils an den

gegenüberliegenden Seiten des Bunkerkomplexes befindet.

Die Pläne von diesem und den anderen städtischen Bunkern liegen im Rathaus. Dort teilt sich Peter Ritters das Büro mit Peter Zens, der sich quasi im "Innendienst" mit der Erfassung städtischer Grundstücke – und dazu gehören auch Flächen mit Luftschutzräumen – beschäftigt. Zu jedem Bunker gibt es eine dicke Akte, jeweils mit Bauplänen, Begehungsprotokollen oder Mietverträgen. Was auffällt: Viele Bunker haben eine längliche Form. "Das erleichtert die Orientierung im Dunkeln", erläutert Peter Zens, der viele Geschichten rund um die Bunker erzählen kann. Etwa die von der Familie, die im Garten einen Neubau plante und beim Graben auf einen Bunker stieß. "Sie planten um und haben nun einen Partykeller", sagt Zens, der bis zu 100 Bunker auf dem Neusser Stadtgebiet vermutet. Die meisten davon werden wohl erhalten bleiben – denn ein Abriss kann bis zu 40 000 Euro kosten.

(NGZ)
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