Unrühmlicher Rekord Mietbelastung in Neuss ist in Deutschland am höchsten

Neuss · Die Hans-Böckler-Stiftung hat in einer Studie untersucht, wie viel vom Monatsnetto für die Miete abgeht. Neuss landet auf dem ersten Platz - dort müssen Mieter prozentual am meisten bezahlen. Diese NRW-Städte sind ebenfalls in den Top 10.

 Auf dem Leuchtenberg-Gelände schafft der Bauverein 154 Mietwohnungen, von denen 117 öffentlich gefördert sind.

Auf dem Leuchtenberg-Gelände schafft der Bauverein 154 Mietwohnungen, von denen 117 öffentlich gefördert sind.

Foto: Konrath und Wennemar / Bauverein AG

Rote Laterne für die Stadt: In keiner bundesdeutschen Großstadt ist die Mietbelastung größer als in Neuss. Das belegt eine neue Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die auf Daten des Microzensus von 2014 basiert. Demnach muss inzwischen jeder zweite Haushalt in Neuss für ein Dach über dem Kopf mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens aufwenden, acht Prozent geben sogar 55 und mehr Prozent für Wohnen aus. Im Ranking von 77 Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern rutscht Neuss damit im Vergleich zur ersten Studie aus dem Jahr 2017 ans Tabellenende.

„Da steckt sozialpolitischer Sprengstoff drin“, sagt Udo Fischer, Vorsitzender des DGB-Kreisverbandes. Der Gewerkschaftsbund hat sich deshalb dem landesweiten Bündnis für bezahlbaren Wohnraum angeschlossen und unterstützt die Kampagne „Wir wollen wohnen!“, die im April in neun Großstädten Nordrhein-Westfalens gegen Wohnungsnot auf die Straße geht. Neuss sei erst nicht als Kundgebungsort eingeplant gewesen, berichtet Markus Lahrmann, Sprecher der Caritasverbände in NRW. Aber Stimmen aus Neuss bestanden darauf – weil die Situation so prekär ist.

Am Dienstag, 9. April, macht nun ein lokales Bündnis von DGB, Mieterbund und Sozialverbänden auf dem Freithof mobil. Von 11 bis 17 Uhr geht es um den Erhalt von Mieterrechten und einen Appell an die Kommunen im Land, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Eine entsprechende Petition, die zuvorderst an die Landesregierung adressiert ist, haben schon vor dem Start der Aktionstage landesweit 15.000 Menschen unterzeichnet.

Muss ein Haushalt mehr als 30 Prozent vom Monatsnetto für die Bruttokaltmiete aufwenden, wird die Grenze des Leistbaren überstiegen. Die Wohnung ist demnach, wie Andrej Holm und Stephan Junker als Verfasser der Vergleichsstudie der Böckler-Studie erläutern, „im Verhältnis zu teuer“. Doch manchmal bleibt Mietern nichts anderes übrig, wie DGB-Mann Fischer mit Verweis auf einen Bekannten erklärt. Der bekommt laut Rentenbescheid 1350 Euro und gibt davon 960 Euro für die Miete aus. „Er sucht eine kleinere Wohnung, findet aber nichts.“

Zur Verschärfung der Situation auf dem angespannten Neusser Wohnungsmarkt trägt noch ein Faktor bei, den Silke Gottschalk, Geschäftsführerin des Mieterbundes NRW, „Herausmodernisieren“ nennt. Auch zum Büro des Düsseldorfer Mietervereins am Konvent in Neuss würden immer öfter Ratsuchende kommen, denen nach einer Modernisierung die Miete erhöht wurde. „In Einzelfällen um bis zu 30 Prozent“, sagt Gottschalk.

Die Stadt hat große Anstrengungen angekündigt, um durch Neubauten etwas Druck vom Wohnungsmarkt zu nehmen. Bis zum Jahr 2030 sollen 5860 neue Wohnungen entstehen, dafür werden 161 Hektar Siedlungsland neu ausgewiesen. Allerdings wird nur ein Teil dieser Wohnungen in die Kategorie „preisgedämpft“ fallen (können) – steigende Grundstückspreise und hohe Baukosten lassen eher weiter steigende Mietpreise befürchten.

Als die Stadt 2010 das „Handlungskonzept Wohnen“ vorstellte, lag das Mietniveau schon über dem Landesdurchschnitt. Neun Euro pro Quadratmeter markierten den Spitzenwert. 6500 Haushalte in Neuss zahlen heute schon mehr als das.

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