Bundestagswahl 2021 im Rhein-Kreis Neuss Das war für die CDU-Kandidaten ein Wahlsieg mit blauem Auge

Rhein-Kreis Neuss · Bei der Bundestagswahl büßt die CDU bei den Erststimmen deutlich ein und rutscht bei den Zweitstimmen unter 30 Prozent. Hermann Gröhe und Ansgar Heveling bleiben ebenso wie Bijan Djir-Sarai und Otto Fricke (beide FDP) dennoch im Bundestag. Daniel Rinkert (SPD) darf noch hoffen.

Rhein-Kreis Neuss: So haben die Bundestagskandidaten die Ergebnisse verfolgt
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So haben die Bundestagskandidaten im Rhein-Kreis Neuss die Ergebnisse verfolgt

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Foto: Judith Michaelis

Hermann Gröhe und Ansgar Heveling haben den Wiedereinzug in den Bundestag geschafft und ihre Mandate für die CDU verteidigt. Doch die Anspannung war beiden anzumerken. Gröhe sackte zwar von 2017 errungenen 44 Prozent auf 35,8 Prozent ab, konnte aber auch im zweiten Aufeinandertreffen den SPD-Bewerber Daniel Rinkert im Wahlkreis 108 (Neuss I) auf Distanz halten. Doch Rinkert war stark, verbesserte seinen Stimmenanteil von 28,6 vor vier Jahren auf 32 Prozent in diesem Jahr. Im Wahlkreis 110 (Krefeld I - Neuss II) setzte sich Ansgar Heveling mit 33,4 Prozent der Erststimmen zwar deutlicher gegen Philipp Einfalt (SPD) durch, der 25,5 Prozent holte, musste aber auch Federn lassen. 2017 hatte Heveling 42,5 der Erststimmen erhalten.

Über die NRW-Landesliste ihrer Partei sicher weiter im Bundestag sind zudem Bijan Djir-Sarai und der Krefelder Otto Fricke (beide FDP). Doch es könnte sein, dass noch ein fünfter Abgeordneter aus dem Rhein-Kreis Neuss hinzukommt: Daniel Rinkert. Den direkten Einzug in den Bundestag hat der SPD-Bewerber zwar nicht geschafft, auch wenn zwischendurch Hoffnung aufkeimte und die SPD, wie er sagte, „Hermann Gröhe ins Wanken gebracht hat“. Für die CDU und Gröhe persönlich sei das eine „krachende Niederlage“, sagt Rinkert, der noch hoffen kann, über die NRW-Landesliste seiner Partei doch noch in den Bundestag einzuziehen. Dort steht er auf Platz 33. Doch da viele Kandidaten von vorderen Listeplätzen ein Direktmandat erringen konnten, bedeutete das Wahlergebnis lange Rechenspiele. Bis zum Druck dieser Zeitung lag noch kein Ergebnis vor und Rommerskirchens Bürgermeister Martin Mertens (SPD) rechnete auch eher mit einem Geduldsspiel. „Ob Daniel Rinkert über die Liste nachzieht, werden wir wohl erst am Montagmorgen erfahren“, sagte er.

Die Wahlsieger Gröhe und Heveling zollten ihren Gegenkandidaten am Ende Respekt. So wie die CDU sich nicht habe unterkriegen lassen, als ihre Umfragewerte noch vor Wochen im Keller waren, so hätte auch die vor einem Jahr noch weitab scheinende SPD „den Rücken gerade und Wahlkampf gemacht“, sagte Gröhe. Die Union verlor zwar in beiden Wahlkreisen auch an Zweitstimmen, lag aber überall vor der SPD. Trotz vieler „roter Rathäuser“ liege die CDU, so Gröhe, „in unserer Heimat vorne“, wenn auch erstmals unter 30 Prozent. „Als Volkspartei müssen wir einen anderen Anspruch an uns selbst haben.“ Ihn freut mit Blick auf Berlin aber, dass „ein Linksbündnis ohne Chance ist“.

Zu einer anderen Wertung kommt Daniel Kober. „Hermann Gröhe hat mit neun Prozent Verlusten eine Klatsche bekommen“, sagt der Grevenbroicher SPD-Parteichef. Ihn stimmte unter dem Strich das SPD-Ergebnis für Grevenbroich „sehr positiv“. Auch er blickte nach Berlin und stellte fest: Die CDU habe die Wahl verloren und demnach „keinen Kanzler-Anspruch“.

Bei der SPD in Dormagen herrschte Freude über eine klare Steigerung des Wahlergebnisses von 2017 und vor allem über den Endspurt: „Man muss mal sehen, von welch schlechten Umfrageergebnissen wir kommen“, sagte Parteivorsitzender Carsten Müller, der deshalb von einem sensationellen Abschneiden sprach. Müller favorisiert ganz klar eine „Ampel“ mit Grünen und FDP, der er zutraut, vier Jahre durchzuhalten. Die Verluste der CDU seien ein „klares Zeichen des Wählers, dass sie Laschet nicht wollen“.

 Es gab bei den Sozialdemokraten aber auch Enttäuschung über das schwache Abschneiden der Linken: „Es wäre sehr gut gewesen, sie als optionale Partnerin zu haben“, sagte der frühere Fraktionsvorsitzende Bernhard Schmitt. „Jetzt ist mit der FDP kaum eine vernünftige Verhandlung möglich.“ Bürgermeister Erik Lierenfeld (SPD) glaubt allerdings nicht, „dass es sich Lindner leisten kann, sich einem Dreierbündnis mit SPD und Grünen zu verweigern.“

Für die Dormagener Parteivorsitzende Anissa Saysay war trotz des schwachen Abschneidens der CDU („Ein deutliches Warnsignal durch die Wähler“) „ganz klar, dass es für die CDU möglich ist, eine Regierungsmehrheit zu organisieren“. Das hält sie trotz der Stimmenverluste für „absolut richtig“. Bei den Dormagener Grünen gab es am Abend eine klare Präferenz für die Regierungsbildung: „Ich bin eindeutig für eine Ampel, die halte ich in den Verhandlungen für realistisch“, so Sprecher Tobias Raidelet. In einer „komfortablen Situation“ sieht Dirk Rosellen, Parteivorsitzender der Liberalen in Dormagen, die FDP: „Dass wir so dicht an den Grünen dran ist, das hätte uns vor Monaten nie jemand zugetraut. Den Vorschlag von Lindner, sich vielleicht zunächst mit den Grünen zusammenzusetzen, finde ich echt gut.“

Dass Gröhe vorne liege, sei seiner erfolgreichen Arbeit geschuldet, sagte Heike Troles, CDU-Parteivorsitzende in Grevenbroich und Landtagsabgeordnete. „Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass wir aufholen und Wahlen gewinnen können.“ Grevenbroichs Bürgermeister Klaus Krützen sieht das Wahlergebnis der CDU „als Desaster“.

Dass Bijan Djir-Sarai erneut in den Bundestag einzieht, sei gut für Grevenbroich, meint FDP-Parteichef Markus Schumacher. Zum Jubel sei ihm aber nicht zumute: „Deutschland wird schwierige Monate vor sich haben“, meint Schumacher. „Frau Merkel kann sich schon einmal auf ihre nächste Weihnachtsansprache vorbereiten.“

 Die beiden Kandidatinnen der Grünen, Petra Schenke und Katharina Voller, holten beide in ihren Wahlkreisen jeweils die drittmeisten Erststimmen. Sie hoffen auf „eine starke grüne Stimme“ in der nächsten Bundesregierung.

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