Schützen in Neuss Bundesminister stoppt Neusser Königsschießen

Neuss · Neue Richtlinie: Schützenvögel dürfen nur acht Zentimeter dick sein – das wäre das Aus des traditionellen Wettstreits um die Königswürde.

 Flintenlaufmunition ist nötig, um in Neuss den Königsvogel zu erlegen – einen weiß lackierten Klotz, der aus verwurzeltem und verleimtem Holz gefertigt ist.

Flintenlaufmunition ist nötig, um in Neuss den Königsvogel zu erlegen – einen weiß lackierten Klotz, der aus verwurzeltem und verleimtem Holz gefertigt ist.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Neue Richtlinie: Schützenvögel dürfen nur acht Zentimeter dick sein — das wäre das Aus des traditionellen Wettstreits um die Königswürde.

Geht Jörg Antony in die Schützengeschichte als der letzte Neusser König ein, der auf traditionelle Art und Weise ermittelt wurde? Stand heute: Ja! Grund: Eine neue, 112-seitige Schießstand-Richtlinie aus dem Bundesinnenministerium schreibt vor, wie das Ziel (Rumpf) eines Vogelschießens beschaffen sein muss.

Weichholz, maximal 80 Millimeter dick. Beim Neusser Königsschießen wäre dienstags die Langeweile vorprogrammiert. "Der Vogel fällt dann mit dem ersten Schuss", sagt Hermann Verfürth. Der Schützenkönig von 2008/09, der auch passionierter Jäger ist, weiß, wovon er spricht: "Mit der Flinte und der 20er-Brenneke-Munition, die in Neuss benutzt werden, habe ich schon Wildschweine geschossen."

Seit einigen Tagen schwitzt Martin Flecken über der neuen Richtlinie. "Wir prüfen noch", sagt der Oberschützenmeister des Neusser Komitees. Aber nach Rücksprache mit der Polizei kommt er zu dem fatalen Zwischenergebnis: "Ich fürchte, wir Neusser Schützen sind von der neuen Regelung betroffen."

Die neue Richtlinie wurde bereits am 23. Oktober 2012 im Bundesanzeiger veröffentlicht und ist somit in Kraft. Sie löst die alte Regel ab, die noch aus dem Jahr 1995 stammt. Seitdem, heißt es aus Expertenkreisen, habe man sicherheitstechnische Probleme erkannt. So habe das Innenministerium in Absprache mit den Schützenverbänden neue Maßstäbe definiert, die ihren Niederschlag in der neuen Richtlinie gefunden hätten und nun bereits für die im Frühjahr beginnende Schützensaison Gültigkeit besitzen.

Federführend bei den vorbereitenden Gesprächen mit dem Bundesinnenministerium war offenbar der von Sportschützen geprägte Deutsche Schützenbund. Der habe Anforderungen und Traditionen der Schützen im Brauchtum nicht so im Blick gehabt. Das sagt jedenfalls Ralf Heinrichs aus Korschenbroich, der Bundesgeschäftsführer der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften.

Heinrichs kündigt ein gemeinsames Schreiben aller in NRW organisierten Schützenverbände an ("Wir repräsentieren rund eine Million Schützen"), in dem sie dem Bundesinnenminister "empfehlen", eine Änderung vorzunehmen. Den Begriff "Protestbrief" weist Heinrichs zurück. Er setze auf die Kraft der Argumente und die Einsicht.

Vor allem die Schützen in Westfalen laufen Sturm gegen die neue Richtlinie aus Berlin. In Westfalen wird meist mit schwerer Munition geschossen; bis zu 600 Schuss beim Vogelschießen sind durchaus möglich. Der Rumpf des Holzvogels ist üblicherweise 200 Millimeter dick.

Im Rheinland schießen die Mehrzahl der Vereine ihren König mit Kleinkaliber aus. Ausnahme Neuss: In der Quirinusstadt, so schätzt Komiteemitglied Flecken, ist der Königsvogel rund 16 Zentimeter stark und wird daher mit Flinten "gejagt". Eine Lösung ist noch nicht in Sicht. Fest steht bisher nur: Erweisen sich alle Befürchtungen als Fakt, kann in Neuss der Schützenkönig nicht mehr wie bisher ermittelt werden. Jörg Antony wäre in der Tat der letzte Schützenkönig von alter Art.

(NGZ/rl/top/url/jco)
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