Keine Scheu nach Sturz Vom Pferd gefallen auf den Thron

Vor zwei Jahren fiel Patrick Russin, der amtierende Hohe Reitersieger, beim Ringstechen vom Pferd. Den Sturz hat er gut verkraftet. Scheu, regelmäßig einen Vierbeiner zu satteln, kennt er nicht. Jetzt freut sich der Betriebswirt auf vier tolle Tagen mit seiner Siegerin Alix Bluhm.

 Ein junges, schönes Paar: Patrick Russin und Alix Bluhm, die sich auf dem Quirinus-Gymnasium kennenlernten, freuen sich auf das Schützenfest. Sie wollen die vielen Begegnungen mit anderen Schützen genießen.

Ein junges, schönes Paar: Patrick Russin und Alix Bluhm, die sich auf dem Quirinus-Gymnasium kennenlernten, freuen sich auf das Schützenfest. Sie wollen die vielen Begegnungen mit anderen Schützen genießen.

Foto: Atelier bathe

Dienstag, 1. September 2009, kurz nach 18 Uhr. Die stattliche Rotte macht sich auf, den neuen Reitersieger zu ermitteln, da passiert es: Patrick Russin, mit 25 Jahren jüngstes Mitglied des Korps, wird von seinem Pferd abgeworfen. Seine Mitstreiter im Ringstechen sind geschockt. Tausende Zuschauer, die nebenan das parallele Königsvogelschießen verfolgen, sehen, wie sich ein Krankenwagen den Weg durch die Menge bahnt. "An den Sturz kann ich mich gar nicht mehr richtig erinnern", sagt Patrick Russin. "Es ging so schnell. Irgendwie bin ich vorne über gefallen." Es sah schlimmer aus, als es am Ende war: "Ich hatte mir einige schmerzhafte Prellungen zugezogen und blieb für eine Nacht im Krankenhaus. Das war es auch schon." Zwei Jahre später ist Patrick Russin der Hohe Reitersieger — wie gut ist denn nun eigentlich um sein reiterliches Können bestellt?

Der 27-Jährige antwortet mit einem Schmunzeln: "Ich bin ein durchschnittlicher Reiter. Bei uns im Korps gibt es viele, die deutlich besser reiten." Das liegt zum einen daran, dass Russin erst relativ spät mit dem Reiten begann, zum anderen kann er aus beruflichen Gründen nicht regelmäßig trainieren. An fünf Tagen in der Woche ist er in Wiesbaden, kommt daher oft nur an Wochenende nach Neuss. Das ungeschriebene Gesetz unter Reitern, nach einem Sturz so schnell wie möglich wieder in den Sattel zu steigen, konnte er nicht befolgen. "Erst im darauffolgenden Frühjahr bin ich das erste Mal nach dem Sturz wieder geritten. Da haben wir mit Freunden einen sehr schönen, längeren Ausritt gemacht. Das war alles kein Problem, den Sturz hatte ich nicht mehr im Kopf und sicherlich auch keine Angst."

Sein Vater Peter, 1991 Hoher Reitersieger, nahm ihn als Kind mit in den Reitstall, setzte ihn auf Vierbeiner. "Aber erst als ich unbedingt in das Reiterkorps wollte, habe ich mir vorgenommen, auszuprobieren, ob mir Reiten tatsächlich Spaß macht." Das Ergebnis ist bekannt: 2004 ritt er erstmal d'r Maat erop, 2010 siegte der heute 27-Jährige beim Ringstechen am Schützenfest-Dienstag. Was das jüngste Mitglied des Neusser Reitercorps in den folgenden zwölf Monaten erlebte, ist für ihn schlicht und einfach "super-klasse". Aufgeräumt erzählt der junge Mann von seinen Begegnungen und Erlebnissen. Wie er herzlich bei Veranstaltungen der anderen Korps und Züge aufgenommen wurde. Wie er "tolle Freundschaften" knüpfte. "Es ist unglaublich schön, zu erfahren, was dort passiert, wie dort das Schützenwesen gelebt wird ."

Das empfindet auch Russins Freundin Alix Bluhm. Die junge Frau sagt: "Es ist eine tolle Erfahrung mitzuerleben, was eigentlich hinter dem Schützenfest steckt, das wir als Schüler immer nur als große Party erlebt haben. Viele Neusser arbeiten mit viel Passion und Liebe zum Detail daran, eine Tradition zu erhalten und erhöhen damit die Lebensqualität einer ganzen Stadt."

Beim Krönungsmahl der Hubertusschützen, erinnert sich Russin, sei die Stimmung so ausgelassen gewesen, dass die Party erst am frühen Morgen endete, als die Putzkolonnen schon im Saal standen. Die Könige und Sieger belassen es ganz offenbar nicht nur bei warmen Worten über die Offenheit und Freundlichkeit, die ihnen bei Einladungen entgegenschlägt. Die freundschaftlichen Kontakte untereinander lassen sie in einen "Königs- und Siegerkreis" münden. Russin: "Wir haben uns bei den Treffen so gut verstanden, dass wir uns regelmäßig wiedersehen wollen. Mal sehen wie häufig wir das hinbekommen."

Ihr Motto, dem sich das Reitersieger-Paar vor einem Jahr verpflichtet hat— "Kein Stress, einfach nur Spaß haben" — hat es nach eigener Einschätzung bestens verwirklicht. "Stress gab es nur, wenn ich freitags aus Wiesbaden komme, mich in einer Viertelstunde umziehen muss, um pünktlich eine Einladung annehmen zu können", sagt Russin lachend. In Wiesbaden ist der Betriebswirtschaftler bei einer Unternehmensberatung tätig, die im Schwerpunkt Vertriebs- und Strategie-Themen für Kunden in der Automobilindustrie entwickelt. Seine Reitersiegerin Alix Bluhm sieht Russin selten. Sie studiert Kulturpolitik und -management in London. Die 26-Jährige stand 2001 im Hofstaat von Schützenkönig Franz-Josef Badort. Beide lernten sich am Quirinus-Gymnasium kennen und lieben, wo sie ihr Abitur bauten. Alix freut sich vor allem auf die Zeit mit dem Reitercorps. "Das ist eine heterogene Gruppe interessanter Menschen, die gemeinsam viel Spaß haben und zueinanderstehen", sagt sie. "Jede Veranstaltung im Rahmen dieses 'Freundeskreises' hat mein Leben sehr bereichert."

Bevor es losgeht, muss Patrick Russin noch eine Hausaufgabe erledigen: reiten üben. "Ich rufe vorher im Reitstall von Friedhelm Tillmann auf Gut Neuhöfgen an, der stellt mir dann ein Pferd bereit." Vielleicht kann er zu den diversen Ringstechen wieder "Diva" satteln, die Pferdedame, mit der er vor einem Jahr zum Sieg ritt.

(NGZ)
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