Neuss Neusser Kanonen lassen nur Korken fliegen

Neuss · Traditionell beginnt das Schützenfest mit dem Abschuss von neun Salven – gleichzeitig aus drei Kanonen, und erst danach geht es richtig los. Aber wo bleiben die Geschütze den Rest des Jahres? Unterwegs auf den Spuren der Neusser Kanonen.

 Die Kanonen müssen auf die Sekunde genau losgehen, also vergleichen die beiden Neusser Kanoniere Bernd Ermbter (r.) und Ralf Weyers sicherheitshalber ihre Uhren.

Die Kanonen müssen auf die Sekunde genau losgehen, also vergleichen die beiden Neusser Kanoniere Bernd Ermbter (r.) und Ralf Weyers sicherheitshalber ihre Uhren.

Foto: Andreas Woitschützke

Ohne "Einböllern" kein Schützenfest, so einfach ist das. Am Samstag, pünktlich um 12 Uhr werden die neun Salven abgeschossen und zwar gleichzeitig aus drei Kanonen. Tausende von Zuschauern lassen sich das Spektakel nicht entgehen und das geübte Publikum weiß: hier wird es ohrenbetäubend, die Kanonen haben es in sich. Aber wo stehen die Kanonen, wenn sie nicht gerade das Neusser Schützenfest eröffnen? Wer sorgt dafür, dass sie auch stets gut "in Schuss" sind? Und: könnte man mit ihnen eigentlich Schiffe versenken?

"Von Mai bis September sind die Kanonen im Prinzip ständig auf Achse", sagt Bernd Ermbter, der Leiter des Außendienstes beim Ordnungsamt und - qua Amt - auch zuständig für die Kanonen. "Die Geschütze wandern dann durch das gesamte Stadtgebiet von Schützenfest zu Schützenfest", erzählt Ermbter. Dabei sind die drei nicht immer zusammen unterwegs, manchmal kommen auch nur eine oder zwei zum Einsatz.

Die Neusser Grenzen verlassen die in Niederbayern gefertigten Geräte allerdings nie, sie gehören der Stadt Neuss und dort bleiben sie auch. Das wäre auch gar nicht so einfach, schließlich wiegt jede der Kanonen etwa 350 Kilogramm. Transportiert werden sie daher auch von einem Abschleppunternehmen. Ihr "Heimatquartier" haben die drei Böllerschwestern auf dem Gelände der Abfall- und Wertstofflogistik Neuss (AWL) in der Moselstraße, wo sie außerhalb der Saison überwintern dürfen. "Bevor es dann jedes Jahr im Mai losgeht, müssen sie zur Generalinspektion", erklärt Ermbter. "Und nach jedem Schießen wird das Abzugsystem mit Waffenöl gereinigt."

Außerdem werden sie alle fünf Jahre einer sogenannten Beschussprüfung unterzogen, die vom Landesbetrieb Mess- und Eichwesen in Köln durchgeführt wird. Ermbter: "Auf einem alten Militärgelände werden die drei dann auf Herz und Niere geprüft - und ganz schön hart rangenommen. Sie werden mit der dreifachen Menge Schießpulver bestückt, dann wird abgeschossen. Funktioniert das alles reibungslos, werden sie wieder für die nächsten fünf Jahre freigegeben."

Das für die Kanonen verwendete Schwarzpulver darf allerdings nicht am gleichen Ort wie die Geräte selber aufbewahrt werden. Es lagert ganz in der Nähe von Ermbters Büro: "Unter der Tiefgarage des Rathauses gibt es einen Katastrophenschutzkeller, in einem der Räume dort befindet sich das Pulver. Dafür haben auch nur einige meiner Mitarbeiter und ich einen Schlüssel", erklärt Ermbter die sicherheitstechnischen Maßnahmen.

Bedient werden dürfen die Kanonen auch längst nicht von jedem. Aus dem Rohr schießen darf nur, wer wie Ermbter einen Sprengstofferlaubnisschein vorweisen kann. Der erfahrene Kanoniere weiß also genau, was er tut, wenn er die Stahlkartusche mit 50 Millimeter Kaliber samt 80 Gramm Schwarzpulver befüllt. "Passieren kann dabei eigentlich nichts - wir schießen ja nicht mit Kugeln, nur der Korken kommt aus der Kanone raus, aber um zu verhindern, dass der jemandem ins Auge fliegt, gibt es genügend Sicherheitsabstand."

Aber, nur mal theoretisch, hätten die Neusser Kanonen bei klassischen Seeschlachten etwas getaugt? Der Experte winkt ab: "Zwar sind es Nachbauten von historischen Kanonen, aber Kugeln könnte man durch die Rohre kaum lenken, dafür fehlt ihnen ein Gewinde - außerdem", sagt der Experte und lacht, "was sollte man auf einem Schiff mit Kanonen anfangen, an denen Räder montiert sind?"

(RP)
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