Schützen im Glück Fackelzug vom Regen verschont

Es war ein stundenlanges Hoffen und Bangen: Hört der Dauerregen endlich und noch rechtzeitig auf? fragten sich vor allem die vielen fleißigen Fackelbauer am Samstag. Bis zum Abend hielten sie ihre empfindlichen Meisterwerke aus Draht und Pappmaschee unter schützenden Planen trocken, dann zeigte Petrus ein Herz für die Neusser Bürgerschützen: Eine Stunde vor dem offiziellen Beginn des traditionellen Fackelzuges durch die Innenstadt stoppten die Wassermassen von oben.

Ein riesiger Bagger vor dem Obertor: Für den Grenadierzug "Nüsser Sondermischung" ist Neuss zum "Bauloch" geworden. NGZ-Fotos (4): A. Woitschützke

Die über 6.000 Schützen und Musiker im schmucken Anzug und Uniform konnten trockenen Fußes den ersten Höhepunkt des Neusser Bürger-Schützen-Festes ebenso genießen wie zehntausende Zuschauer am Straßenrand. Weniger als in den Vorjahren, denn manche waren aufgrund des schlechten Wetters zu Hause geblieben. Schade, denn ihnen entgingen rund hundert unterhaltsame Minuten, in denen die Fackelbauer der einzelnen Korps auf ihren 73 Großwagen viel Witz und Kreativität zeigten, bundes- und lokalpolitische sowie gesellschaftliche Höhepunkte in zum Teil beeindruckender Weise künstlerisch umsetzten.

Aber nicht nur das: Viele Züge, die sich nicht am Fackelbau beteiligt hatten, marschierten mit besonderen Handfackeln. Dort reichten die Ideen von Gießkannen über Bierkrüge bis hin zu bunten Riesenstrümpfen oder Unterwäsche. Das Hauptinteresse der Zuschauer richtete sich natürlich auf die großen Wagen. Dort waren Schwerpunktthemen auszumachen: Der (T)Euro, der Grundstücksfonds, die Umgestaltung der Innenstadt. Von "Chaos-City" sprach der Jägerzug "In Treue Fest", die Grenadiere vom Zug "Treu zur Theke" von der "Kreis(el)stadt Neuss" und fragten: "Wo trecke mer?".

Viel Beifall für eine tolle Fackel zu diesem Thema erhielt der Grenadierzug "Nüsser Sondermischung". Ein Riesenbagger vor dem klasse gestalteten Obertor symbolisierte das "Bauloch Neuss". Für den Schützenlustzug "Kesselflicker" ist das Baustellen-Warnschild inzwischen das "Aushängeschild" von Neuss. Für die "Hubertusjäger" sind Kreisverkehr und Baustellen mehr "Flopp als Topp". Der Jägerzug "Jongens vom Schlachthof" rundete das Thema ab: "Kreisverkehr dat es e Leed, kinner wees Besched".

Die Scheibenschützen erteilen der geplanten Hafen-Gesellschaft Neuss-Düsseldorf eine klare Absage und drohen mit dem "Knöppel" des hl. Quirinus.

Thema vor allem bei den Jägern war der 34 Millionen Euro schwere Grundstücksfonds, dem gleich drei Großfackeln gewidmet wurden: "Über Geld spricht man nicht, Geld hat man", meinte der Zug "Greenhorn" zu "Napps Schatzkiste", und schlug vor: "Mit einem Teil von diesem Schatz, verschönern wir den Hamtorplatz." Der Zug "Steinadler" kommentierte optisch bissig mit den drei aus dem Buddhismus bekannten Affen: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen.

Die "Fahnenkompanie" sah den Bürgermeister in Nöten mit "zu viel Kröten", eine Fackel, die "tierisch" gut mit einer Vielzahl dieser Wesen sehenswert umgesetzt wurde. Der Grenadierzug "D'r Maat eraff" fragte sich nur, "weiß der Geier, woher es kommt". Für ihre spezielle lokalpolitische Sichtweise erhielten die Grenadiere vom Zug "Münsterchor" viel Beifall vom Straßenrand: "Nüsser Poppe-Kess" hieß es dort, wo CDU-Ratsherr Dr. Heinz Günther Hüsch "de Poppe danze lött" und im Hintergrund an den Strippen zieht.

Pech hatte der Schützenlust-Zug "R(h)einrassige", dessen Fackel zum Thema "Feuer unterm Dach" der Stadt Neuss (Kreisleitstelle, Grundstücksfonds) leider unbeleuchtet war und nicht gebührend bewundert werden konnte. Kritisch verfolgen die Schützen auch die (Hafen-).Beziehungen zwischen Neuss und Düsseldorf: Der Grenadierzug "Fetzige Nüsser" sieht Neuss als "Macht am Rhein" und baute eine Fackel in Anlehnung an die bundesweite Aids-Kampagne: "Gib Düsseldorf keine Chance".

Neuss, das Einkaufsparadies. Das bezweifelte der Grenadierzug "Treu zum alde Nüss" erheblich und sprach eher von einer Bäcker- und Handymeile. Die Grenadiere fragten: "Mut dat sin?"

Die Scheibenschützen sagen zur geplanten Hafen-Gesellschaft Neuss-Düsseldorf "Nein, danke", und lassen den heiligen St. Quirin sprechen: "Quirin hät nix domöt ze donn/wat Minsche bee ons lote jonn/Doch denne die ons Nüss verschenke/deet rösig hä möm Knöppel wenke". Die Grenadiere vom Zug "Immer treu" glauben in Neuss an einen "kölschen Klüngel" mit der "Müll-Mafia" am Werk. Eine Vielzahl von Großfackeln widmeten die Schützen der Euro-Umstellung. Für sie ist eines klar: Der Euro ist ein Teuro: "So hat der Euro über Nacht, so manche Händler reich gemacht" (Schützenlust-Zug "Erste Güte").

Die Schützen brachen das Thema lokal herunter, beobachteten sensibel die unmittelbaren Auswirkungen an den Festtagen. Der Jägerzug "Heimattreue" ist überzeugt: "Auf dem Festplatz ist bald keiner mehr, der Euro macht die Taschen leer". Für ihre Kameraden vom Zug "Bleibe Treu" geht der "Bierpreis über die Schmerzgrenze hinaus. Wir feiern, aber nicht im Zelt." Eine aktuelle Note brachte der Grenadierzug "Deutsche Eiche" mit seinem Motivwagen in die "T(Euro)-Diskussion" ein und reagierte damit blitzschnell auf die Hochwasser-Katastrophe: "Wen stört der Teuro, wenn das Wasser bis zum Halse steht - wir spenden!"

Für diese Sichtweise erhielt er entlang des Zugweges viel Beifall. Aktualität in Sachen Ausgrabungen auf dem Omnibusbahnhof bewiesen auch die Grenadiere vom Zug "Mer send wer do" mit ihrer "prähistorischen Fackel", die den Beweis erbrachte, dass es den Fackelzug schon vor 2000 Jahren gab. Der Jägerzug "Treu zur Vaterstadt" ließ sich nicht lumpen und konterte mit einer sehr schönen Fackel: "Nach der Ausgrabung wusste es jeder, der erste Neusser war ein Jäger."

Eine pfiffige Idee präsentierte der Schützenlust-Zug "84er Spätlese" mit seinem "Objektschutz".

Natürlich, wie in jedem Jahr, stand der Schützenkönig im Mittelpunkt einiger Fackelbauer. Wobei sich Franz-Josef Badort als Juwelier besonders aufdrängte: Die schönste Fackel zu diesem Thema gelang dem Schützenlust-Zug "Hessepözer" mit seinem Motiv "Herr der Ringe". Nicht minder eindrucksvoll waren die sechs Riesenfiguren der "84er Spätlese" (Schützenlust) zum Thema "Objektschutz": "Ist der König aus dem Haus, wir passen auf den Klunker auf", versicherten sie. Viele Züge feierten aber einfach nur sich selbst und freuten sich über ihre runden Geburtstage oder Jubiläen.

Der Zug "Ewig Jung" aus der Schützengilde brachte mit seiner "Fackel ohne Thema" die Schwierigkeit so manchen Zuges auf einen Nenner: "Fackelthema oh je, oh je, tut die Auswahl doch so weh." Oder mit den Worten der Grenadiere vom Zug "Treue Rheinländer" zu sprechen: "Mit Themen sind wir nicht zufrieden, wollen aber weiter schieben." Dann auf ein Neues im nächsten Jahr.

(NGZ)
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