Brauchtum in Neuss Kein Fest - kein Biwak

Neuss · Biwake sind für den inneren Halt der Züge, für das Wir-Gefühl der Schützen wichtig. Gleichzeitig bauen sie Brücken zwischen Uniformierten und Zivilisten. In Corona-Zeiten findet kein Biwak statt. Doch Autohaus Timmermanns, Crown Plaza, Theater, Stadt Neuss und Volksbank wollen 2021 wieder Gastgeber sein.

Ein Bild voller Unbeschwertheit aus coronafreier Zeit. Bis zu 1500 Schützen feiern beim Volksbank-Biwak auf dem Münsterplatz.

Ein Bild voller Unbeschwertheit aus coronafreier Zeit. Bis zu 1500 Schützen feiern beim Volksbank-Biwak auf dem Münsterplatz.

Foto: Simon Janßen

Der Schützenfest-Montag ist  Leutnant-Tag. Der zweite Mann in der Zughierarchie, der seinen Platz als „Jösse-Leutnant“ in der ersten Reihe ganz außen hat, rückt für einen Tag an die Spitze und führt den Zug bei den Aufmärschen und Umzügen an. So mancher Leutnant lädt, beflügelt von der „Karriere“ auf Zeit, an seinem Ehrentag zum Leutnant-Frühstück ein, um in geselliger Runde Kraft und Ruhe zu tanken. 

Nach dem Sonntag mit seiner Parade und Außenwirkung und vor dem Dienstag, an dem alle voller Spannung dem Königsschießen entgegenfiebern, nutzen die Schützen den Montag als Brückentag, um eher intern zu feiern. Da trifft es sich gut, dass der erste Umzug erst am Nachmittag ansteht. So bleibt ausreichend Zeit zum Treffen in der (Zug-)Gemeinschaft mit Frauen und Kindern, Freunden und Bekannten.

Diese Frühstückstradition nahm vor 40 Jahren die Volksbank auf und konzipierte ihr Biwak auf dem Münsterplatz. Die Idee hatte der damalige Bankchef Rainer Witzel, für die Öffentlichkeitsarbeit war Rigomar Serwas verantwortlich. Witzel war später Motor bei der Gründung des Hubertuszuges „Wibbelstitze“.

Das Duo Witzel/Serwas wusste sich mit seiner Initiative von Anfang an auf der sicheren Seite, denn Schützenpräsident Hermann-Wilhelm Thywissen war in Personalunion auch Vorsitzender des Volksbank-Aufsichtsrates.

Aus der Idee, dass mehrere Züge gemeinsam bei Marschmusik feiern, wurde der Prototyp aller Biwake, die heute das Schützenprogramm am Montag und zum Teil auch am Dienstag bereichern.

Längst ist die Volksbank zur Zollstraße umgezogen, doch ihr Schützenbiwak auf dem Münsterplatz bleibt der Klassiker. Jahr für Jahr kommen bis zu 1500 Gäste, darunter auch Kunden und Geschäftspartner der Bank, die so ungezwungen in die Welt der Schützen eintauchen können.

Volksbank-Chef Rainer Mellis und sein Vorstandskollege Klaus Reh müssen in diesem Jahr auf die Großveranstaltung verzichten. Die Corona-Pandemie diktiert Zurückhaltung. „Wir sind alle traurig, dass wir kein Biwak feiern können“, sagt Mellis, „aber natürlich akzeptieren wir die Entscheidungen und tragen Schutz- und Sicherheitsregeln mit.“ Doch Mellis und Reh wollen ihren Mitarbeitern, „die sonst beim Biwak helfen“, etwas Schützenflair vermitteln. So wird die Volksbank-Filiale an der Zollstraße Montagmittag schließen, anschließend lädt der Vorstand auf die Terrasse des Drusushof ein.

Wenn im nächsten Jahr wieder ein „normales Schützenfest“ gefeiert werden könne, dann steige auch wieder das Volksbank-Biwak auf dem Münsterplatz. Mellis: „1. Das Biwak gehört zum Neusser Schützenfest. 2. Wir wollen etwas Gutes tun. 3. Gefühlt haben wir für 99 Jahre immer am Schützenfest-Montag den Münsterplatz gepachtet.“

„So eine wichtige und schöne Veranstaltung verdient es, fortgesetzt zu werden“, sagt Cornel Hüsch vom Trägerverein des Rheinischen Landestheaters (RLT). Auch das RLT-Biwak muss pausieren, zu dem ansonsten bis zu 400 Schützen und Gäste kommen. Gastgeber ist offiziell der Förderverein um den Vorsitzenden Joachim Rulfs; das Ensemble unterhält mit kleinen Auftritten. Für Hüsch baut das Theater mit dem Biwak eine Brücke zur Stadtgesellschaft – und umgekehrt komme so mancher Gast erstmals mit dem Theater in Berührung: „Mit dem Biwak verbinden wir beide Welten.“

Auch das Autohaus Timmermanns setzt nur coronabedingt aus und wird sobald wie möglich wieder sein Biwak ausrichten. „Das hat sich prima etabliert“, sagt Geschäftsführer Thomas Timmermanns, „aus dieser Einladung ziehen wir uns nicht zurück.“ Er sei zwar kein Schütze, wohl aber ein „Vereinsmeier“ und seit 20 Jahren Karnevalspräsident. „Alles, was sozial ist und der Gesellschaft dient, unterstützen wir nach Möglichkeit gern.“

Auch das Crown Plaza will sein Biwak fortsetzen. Die Erfahrungen bei den bisher sechs Veranstaltungen seien gut. Bis zu 120 Schützen in Uniform feiern dort. „Ein Neusser Hotel will natürlich Teil des Neusser Schützenfestes sein“, sagt Piet van Opbergen vom Schützenlustzug „Jans locker“, der bei der Organisation hilft. Busse bringen die Schützen nach dem Biwak zu ihren Antreteplätzen.

Am Schützenfest-Dienstag bittet die Stadt zum Biwak in den Innenhof des Rathauses. Die große Sause mit 600 bis 800 Gästen muss in diesem Jahr ausfallen. Aber auch für Stadtsprecher Peter Fischer ist klar, dass es nur eine Pause ist: „Ich wüsste keinen Grund, warum es nicht weitergehen sollte.“ Ludger Baten

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