Bürgermeisterpflichten Alles muss raus - im Rathaus wird gefeiert

Neuss · Der Bürgermeister muss sein Dienstzimmer samt Schreibtisch und Unterlagen räumen, denn an den Schützenfesttagen wird das Rathaus zur Tribüne für geladene Gäste.

 Bevor die Damen den Balkon am Rathaus für die Parade in Besitz nehmen, wird er aufgehübscht.

Bevor die Damen den Balkon am Rathaus für die Parade in Besitz nehmen, wird er aufgehübscht.

Foto: Woi

Am Freitag vor der Parade sitzt Bürgermeister Herbert Napp noch an seinem Schreibtisch und arbeitet. Draußen trippeln die Rathausmitarbeiter schon nervös von einem Fuß auf den anderen. Eigentlich sollte Napp vor zehn Minuten sein Büro verlassen haben. Denn wo gerade der Bürgermeister seine Arbeit erledigt, werden zwei Tage später Komiteemitglieder und geladene Gäste bei Schnittchen und Getränken die Parade des Schützenfestes feiern. Dafür muss auch Napp sein Büro räumen.

Das Schützenfestprogramm ist im Rathaus minuziös durchgeplant. Darum kümmert sich Claudia Paschek, die Leiterin des Büros für Öffentlichkeitsarbeit und Repräsentation. Während sie mit einigen starken Rathausmitarbeitern vor dem Büro des Bürgermeisters wartet, blättert sie noch mal eine rund 30 Seiten dicke Unterlage durch. "Regieplan" steht darauf.

Darin ist alles geregelt: wo welcher Tisch hinkommt, wann Herbert Napp seine Bürgermeisterkette trägt, für welche Anlässe die Stadt Blumen bestellen muss. Auch die Sitzordnung der Balkongäste bei der Königsparade ist darin festgelegt. "Wir haben an Schützenfest wirklich viel um die Ohren", sagt Paschek.

Ohne solide Vorbereitung gehe da gar nichts. Und daran muss sich auch der Bürgermeister halten. Mit einer Viertelstunde Verspätung gibt er sein Büro frei. Drei Hausmeister machen sich sofort daran, Napps Ledersofa in einen Nachbarraum zu tragen. Derweil stöpseln zwei Kollegen die Elektronik auseinander. Der Bürgermeister und seine Akten finden drei Zimmer weiter Zuflucht. In einem sehr kleinen Büro kann Napp weiterarbeiten.

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"Über Schützenfest gehe ich ins Exil", scherzt Napp. Die Hausmeister tragen noch Schreibtisch und Konferenztisch aus seinem Büro. Innerhalb kürzester Zeit ist es komplett leer geräumt. Doch das bleibt nicht lange so. Zwei große schwarze Tische und 16 Stühle werden im Bürgermeisterzimmer aufgestellt. Hier können die Gäste vor und nach der Parade Platz nehmen. Sie werden kaum merken, wie viel Arbeit und wie viel Stress Paschek und ihr Team mit den Vorbereitungen hatten.

Paschek koordiniert inzwischen die Dekoration des Raumes. Zwischendurch klingelt ihr Handy. Viel zu tun, und doch auch sie ist voller Vorfreude: "Es prickelt richtig!" Und wenn alles reibungslos über die Bühne gegangen ist? "Das ist wirklich ein tolles Gefühl", antwortet Paschek.

Nicht nur auf der Ebene des Bürgermeisters, sondern auch auf den beiden Etagen darüber bietet das Rathaus an Schützenfest Platz für Gäste. Auf dem Balkon sitzen die Damen mit den großen Hüten: In der Mitte die Schützenkönigin, daneben die Frau des Bürgermeisters und die des Schützenpräsidenten. Die Sitzordnung ist natürlich streng geregelt - allerdings nicht von Paschek, sondern vom Bürger-Schützen-Verein, der über Schützenfest als Gastgeber im Rathaus auftritt.

Schon am Freitag stehen die Klappstühle für den Balkon mit Namensschild in Reih' und Glied im Dezernentenflur. Außerdem liegen Fußmatten parat, falls es während der Parade regnen sollte. Der Balkon wird am Freitag mit einem rot-weißen Fahnentuch und jeder Menge Grün prachtvoll geschmückt.

Eine Etage über dem Balkon bekommen Ratsmitglieder der Stadt und Neusser Kreistagsabgeordnete einen festen Platz an einem der Fenster. Damit aus jedem Fenster möglichst viele Gäste schauen können, werden kleine Treppchen aufgestellt. Am Paradesonntag werden dann Fenster und Balkontüren des Rathauses ausgehängt.

Etwas weniger streng geht es am Vorabend beim Fackelzug zu. Zum Empfang der Stadt werden rund 500 Gäste eingeladen. Ohne feste Sitzordnung. Am Sonntag kommen die Gäste dann von der Messe ins Rathaus zum "Königsfrühstück". Es folgt die Parade. Dann braucht sogar der Bürgermeister eine Eintrittskarte, um das Rathaus betreten zu dürfen. Doch auch daran hat Claudia Paschek gedacht. Napp hat seine Karte vor einigen Tagen bekommen.

Auch nach der Königsparade gibt es im Amt für Öffentlichkeitsarbeit und Repräsentation genug zu tun. So lädt die Stadt traditionell am Dienstag zum Schützenbiwak in den Rathausinnenhof. Außerdem muss sich Paschek um viel mehr als nur um den Umbau im Rathaus kümmern.

Zum Beispiel um Werbetafeln an den Ortsein- und -ausgangsschildern und um extra abgetrennte Bereiche für Zuschauer mit Behinderung. Wie detailliert der Regieplan ist, zeigt eine von Rathausmitarbeitern liebevoll "Markisenverfügung" genannte Anweisung. Denn darin ist festgelegt, wer seine Markisen öffnen und wer sie schließen muss. Schließlich soll das Rathaus an den Festtagen ein einheitliches Bild abgeben.

(RP)
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