Neuss Buch erklärt die Warenbörse

Neuss · Kaum einer kennt sie, obwohl sie schon 112 Jahre alt ist: Die Stadt hat eine Warenbörse. Der Neusser Produktenmarkt organisierte den Handel mit Getreide und Raps, Öl und Mehl; heute stellt der Verein ein Schiedsgericht.

 Mit Protokollbuch und Broschüre des Vereins (v. l.): Sebastian Greif, Manfred Meis und J.-Andreas Werhahn.

Mit Protokollbuch und Broschüre des Vereins (v. l.): Sebastian Greif, Manfred Meis und J.-Andreas Werhahn.

Foto: Woi

Nur wenige deutsche Städte können sich rühmen, Sitz einer Börse zu sein — Neuss gehört dazu. "Wir verfügen über eine voll funktionstüchtige Einrichtung", sagt Vorsitzender J.-Andreas Werhahn, "um den gesetzlichen Rahmen für den Getreidehandel sicher zu stellen." Der Verein "Neusser Produktenmarkt" wurde 1900 gegründet, zählt heute rund 30 Mitgliedsunternehmen und ist eine von 19 Warenbörsen in Deutschland. Sich und seine Geschichte stellt der Neusser Produktenmarkt erstmals in einer Broschüre vor, die jetzt erschienen ist.

An Waren- und Produktenbörsen, die ab dem 16. Jahrhundert in Deutschland entstanden, werden bis heute Rohstoffe wie Mineralien, Nahrungsmittel oder auch landwirtschaftliche Erzeugnisse gehandelt sowie Preise ermittelt. Die Bedeutung der Börsen(-Notierungen) für den Handel ging in den vergangenen Jahren zurück. Weite Teile des Geschäftes wanderten ins Internet ab. Gleichwohl ist der Neusser Produktenmarkt in den Augen seines Vorsitzenden Werhahn ein "kleines Schatzkästlein", weil Handel ohne "den Faktor Mensch" nicht auskomme: "Die persönliche Begegnung außerhalb des täglichen Geschäfts bleibt wichtig."

Auf einem Feld ist der Produktenmarkt aber bis in die Gegenwart gefragt: als Schiedsstelle bei Streitigkeiten. Die Vorteile liegen für Sebastian Greif von der IHK auf der Hand: "Diese außergerichtlichen Verfahren zeichnen sich durch Schnelligkeit und Sachnähe aus und sie sind kostengünstig." So schreiben Vertragspartner in den Kauf- und Lieferkontrakten fest, dass bei Rechtsstreitigkeiten das Schiedsgericht in Neuss anzurufen ist. Greif, Rechtsexperte der IHK Mittlerer Niederrhein, fungiert zugleich als Geschäftsführer für den Neusser Produktenmarkt.

Die Nahrungsmittel-Industrie besitzt in Neuss lange Tradition. Dafür stehen bis heute zum Beispiel die Mühlen für Öl (Thywissen, Sels, Walter Rau) oder Mehl (Plange). Vor diesem Hintergrund entwickelte die Stadtverwaltung einst ihre Vision von "Food-City". Dahinter verbarg sich der — inzwischen wieder eingeschlafene Gedanke — Akteure der Nahrungsmittel-Branche zu bündeln (Cluster), um Synergien zu erzielen. "Wir wären der ideale Partner, um den Gedanken von Food-City voranzutreiben", bietet Vorsitzender J.-Andreas Werhahn seinen Verein als Ansprechpartner für Politik und Verwaltung an.

Autor der neuen Broschüre ist der Journalist und ehemalige IHK-Pressesprecher Manfred Meis. Geplant war seine Schrift zum 100-jährigen Bestehen. Bei der Recherche wurde klar, dass der Verein nicht — wie vermutet — 1912, sondern bereits 1900 gegründet worden war ...

(NGZ/rl)
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