Neuss Bestatter im Katastrophenfall
Neuss · Wilfried Odenthal hat eine Ausbildung für den Einsatz bei Massenunfällen und Naturkatastrophen absolviert. Der Bestatter kann nun weltweit Hilfe leisten beim richtigen Versorgen und Identifizieren der Toten.
Zugunglück, Massenpanik, Erdbeben oder Lkw-Karambolage: Bei sogenannten Großschadenslagen sind Feuerwehr, Technisches Hilfswerk (THW) oder die Johanniter schnell vor Ort. "Was bisher bei Unfällen wie dem ICE-Crash von Eschede 1998 oder dem fatalen Gedränge bei der Loveparade 2010 fehlte, waren speziell für Notfälle ausgebildete Bestatter", erklärt Bestatter-Meister Wilfried Odenthal.
Der Neusser führt ein Bestattungsunternehmen mit zehn Mitarbeitern in Reuschenberg und hat gerade eine Fortbildung für Notfalleinsätze absolviert. "Wie andere Berufszweige wollen auch wir unser Wissen bei Notfällen einbringen — und die Toten professionell identifizieren und versorgen."
Zu seinen Aufgaben gehören unter anderem der Umgang mit Chemikalien für das Herstellen von Fingerabdrücken und die Betreuung der Angehörigen. Die erste Fortbildung dieser Art veranstaltete der Bundesverband der Bestatter von Oktober 2011 bis Februar 2012 im Ausbildungszentrum im unterfränkischen Münnerstadt mit sechs Teilnehmern aus ganz Deutschland.
"Gegenstand der Schulung ist beispielsweise die Organisation und Kommunikation im Notfalleinsatz, die Bergung und Aufbewahrung Verstorbener sowie deren Rückführung in ihr Heimatland, wie beim Flugzeugabsturz der Concorde im Jahr 2000", erklärt Rolf Lichtner, Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Bestatter. "Wir Experten können jederzeit zu einem Notfall in Deutschland, aber auch international, gerufen werden", sagt Odenthal. Für den 46 Jahre alten Quereinsteiger ins Bestatter-Gewerbe war solch eine Schulung von Fachkräften seines Handwerks überfällig: "Wir kennen nun die geregelten Abläufe und können professionell handeln — das hilft nicht zuletzt den Angehörigen der Verstorbenen."
Um einen Notfalleinsatz live mitzuerleben, nahm Odenthal Ende März an der Groß-Übung auf der damals noch gesperrten A57 teil, als Beobachter. "Es war faszinierend zu sehen, wie die Hilfskräfte nahtlos ineinandergreifen." Für ihn und seine Kollegen bedeutet das vor Ort: Zwei Zelte aufbauen, eines für den Empfang und die Identifikation der Toten und eines für deren Aufbewahrung. "Wir arbeiten Hand in Hand mit dem THW, aber auch mit der Polizei und dem Landeskriminalamt; stellen etwa DNA-Proben oder den Zahnstand her." Selten befinden sich die Verstorbenen bei Unglücken im besten Zustand. "Trotzdem sollten die Angehörigen Abschied nehmen können. Wir transportieren die Leichen weg von den Verletzten, desinfizieren sie und wickeln sie in Tücher", erklärt Odenthal. Am 30. Mai absolviert er mit seinen fünf Kollegen die Abschlussprüfung — dann bilden sie das erste Bestatter-Führungsteam für Notfalleinsätze. "Angst darf man vor solch schweren Notfällen nicht haben", sagt Odenthal.