Neuss Berührender Liederabend über Shakespeare

Neuss · "Ich liebe diesen Ort", sagt der englische Pianist Simon Lepper über das Globe. Dadurch, dass die Zuhörer uns so nahe sind, fühlen wir uns wie in einem großen Wohnzimmer." Nicht zuletzt wegen dieser besonderen Atmosphäre waren er und die Sopranistin Elizabeth Watts, die im vergangenen Jahr mit einem Arien-Abend Furore gemacht hatte, gern bereit gewesen, wiederzukommen und ein Programm mit Shakespeare-Liedern zusammenzustellen.

Die originalen Bühnenmusiken, die bei den Theateraufführungen zu Shakespeares Zeit verwendet wurden, sind nicht erhalten, wohingegen die Verse der Lieder als integraler Bestandteil der Dramentexte überliefert sind. Shakespeares musikalische Sprache mit dem regelmäßig fließenden Puls des Blankverses hat immer schon Komponisten inspiriert. So konnten Watts und Lepper das Publikum allein mit Shakespeare-Liedern durch fünf Jahrhunderte führen, von der Renaissance über die Romantik bis ins 20. Jahrhundert.

Das gab den Zuhörern die Gelegenheit, unterschiedliche Vertonungen derselben Verse miteinander zu vergleichen, etwa "It was a lover and his lass", den Shakespeare-Song schlechthin, von Thomas Morley mit Erich Korngolds "When birds do sing" oder die Ophelia-Lieder von Brahms mit denjenigen von Richard Strauss. Elizabeth Watts' reiner, in schöner Balance geführter Sopran leuchtet warm von innen heraus, ohne je grell zu werden. Scheinbar mühelos wechselt sie im Ausdruck vom jugendlichen Übermut der frisch erblühenden Liebe in Morleys "It was a lover and his lass" über die Sehnsucht in John Dowlands bittersüßem "Come again" bis hin zur tiefen Trauer in "Flow my tears", Dowlands berühmtestem Lied.

Simon Lepper ist ihr dabei ein stets einfühlsamer Begleiter. Sang in "Flow my tears" noch der schwarze Vogel der Nacht sein düsteres Lied, so ist es in Henry Bishops "Lo, here the gentle lark" die Lerche, die sich in heller Luft zum Himmel aufschwingt. Hier gelangen Watts die Koloraturen so glänzend wie das "burnish'd gold", von dem in den Versen die Rede ist. Als das Publikum nach dem letzten Ton noch einen Moment innehielt, war sie gut zu vernehmen, die Antwort von draußen. War es die Nachtigall, war es die Lerche? Wer weiß ...

(NGZ)
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