Neuss Bergwacht der Gartenvorstadt

Neuss · Sie wollten einen Verein gründen, den es noch nicht gibt – und gründeten die Reuschenberger Bergwacht. Lässigkeit ist Prinzip in dem Club, der sich als Gegenmodell zum deutschen Vereinsrecht sieht. Oberstes Ziel: Spaß haben.

 Dirk Rabe, angeblich Frauenbeauftragter der Bergwacht, und Wilfried Michels, vermutlich Geschäftsführer (r.), vor der "Talstation"

Dirk Rabe, angeblich Frauenbeauftragter der Bergwacht, und Wilfried Michels, vermutlich Geschäftsführer (r.), vor der "Talstation"

Foto: L. Berns

Sie wollten einen Verein gründen, den es noch nicht gibt — und gründeten die Reuschenberger Bergwacht. Lässigkeit ist Prinzip in dem Club, der sich als Gegenmodell zum deutschen Vereinsrecht sieht. Oberstes Ziel: Spaß haben.

Der Berg ruft. Auch in Reuschen-"Berg", wo sich vor zwei Jahren die Reuschenberger Bergwacht gegründet hat. Ein Verein, von dem kein Vereinsregister je erfahren wird, dessen Mitglieder sich aber einem hohen Ehrencodex verpflichtet fühlen. "Wir lassen keinen hängen", sagt Hans Conrads. "An der Theke nicht und nicht in der Wand." Wenn denn eine da wäre.

Conrads ist Schriftführer der Bergwacht — zumindest behauptet er das — und neben dem "Beitrageinsammler" Hans Broere der einzige, "der einen ernsthaften Job macht." Zumindest glaubt er das. Und zum Beweis schiebt er augenzwinkernd das Versprechen nach: "Demnächst schreibe ich das Protokoll von der Gründungsversammlung. Oder auch nicht."

Mit formalen Dingen nehmen es die Mannen der Bergwacht nicht so genau. "Oder auch nicht" ist daher ein oft gehörter Nachsatz. Eine Formulierung, die jedem "Vereinsmeier" den Glauben an bindende Beschlüsse, Satzung- und Jahreshauptversammlungen rauben muss. Die Bergwacht sieht sich ein bisschen als Gegenmodell zum deutschen Vereinsrecht. "Rheinisches Laissez-faire", beschreibt Conrads das Funktionsprinzip.

Das sieht dann so aus: "Die Satzung ist jederzeit unter Ausschluss eines Notars zu ändern, sobald mindestens drei Mitglieder an einer Theke stehen", erklärt Conrads. Satzungsänderungen seien den übrigen Mitgliedern mitzuteilen. "Oder auch nicht."

Von dieser Lässigkeit fühlen sich immer mehr Reuschenberger angezogen. 150 Häupter zählt die Riege heute, sechs waren es bei der Gründung. Die fand im Lokal Froschkönig statt, wo im Nachklang zu einem Abend am Lagerfeuer die Meinung aufkam: Man müsste mal wieder einen Verein gründen. Einen, den es noch nicht gibt. Die Bergwacht eben.

Zum zweiten Bergfest führte Conrads nun den Beweis, dass der "Verein" wahrscheinlich einen Vorstand hat, auch wenn sich an eine Wahl so recht keiner erinnert. Eine Satzung jedenfalls hat die Bergwacht. Und Ziele. Eine Luis-Trenker-Gedächtnisecke zu Ehren des Südtiroler Alpinisten wünscht man sich. "An dieser Aufgabe wird intensiv gearbeitet", sagt Conrads. "Oder auch nicht." Ansonsten ist die Infrastruktur tip-top.

Es gibt Talstation (die Gaststätte Zur Barriere), Mittelstation (Vereinsheim des TCR), die Elisabethstuben als Bergstation — und ein "Gipfelkreuz". Das steht auf der Elisabethkirche. und damit jenseits der Baumgrenze. Denn "da oben" wächst ja nichts. Skigebiet ist Reuschenberg ja dank der Skihalle auch. Sie ist real, die Bergwacht dagegen, so Conrads, "mehr virtuell". Oder auch nicht.

(NGZ)
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