Theater in Neuss Was Schauspieler machen, wenn sie nicht spielen dürfen

Neuss · Die Darsteller Benjamin Schardt und Antonia Schirmeister haben gerade am Landestheater Neuss angefangen und müssen schon eine lange Pause einlegen. Was sie in der Zwischenzeit so machen, erzählen sie hier.

 Schauspieler Benjamin Schardt wohnt in Neuss, seit er am RLT spielt.

Schauspieler Benjamin Schardt wohnt in Neuss, seit er am RLT spielt.

Foto: Marco Piecuch

Seit Beginn der Saison ist der Schauspieler Benjamin Schardt am RLT engagiert, hat zuletzt in „Schade, dass sie eine Hure war“ als Moderator im Frack auf der Bühne gestanden – und ist nun zur Untätigkeit verdammt. Was macht ein Schauspieler, wenn er nicht spielen darf? „Ich spiele einfach weiter“, sagt er mit einem kleinen Lächeln in der Stimme, meint damit aber vor allem die Möglichkeiten, die jemand wie er hat, um irgendwie mit dieser erzwungenen Situation fertig zu werden.

„Ich versuche, meine Fitness zu halten“, sagt er, „gehe joggen und überhaupt gern nach draußen, um mich zu bewegen.“ Denn ebenso wie allen anderen RLT-Mitarbeiter muss er damit rechnen, dass der Betrieb kurzfristig wieder hochgefahren wird, Inszenierungen gezeigt werden, in denen er spielt. „Aber die Bewegung tut auch meiner Psyche gut“, sagt er, weiß zudem genau, dass alles, was er macht, auf eher „wackeligen Beinen“ steht.

 Antonia Schirmeister ist Schauspielerin und Regisseurin.

Antonia Schirmeister ist Schauspielerin und Regisseurin.

Foto: Schirmeister

Allerdings hat er etwas wiederentdeckt, was er schon immer gern tat: zeichnen. „Mit einer Freundin habe sogar eine Kunstchallenge ins Leben gerufen“, erzählt er – natürlich am Telefon – und lacht. „Wir schicken uns jeden Tag ein Wort, Bild oder Ton zu, auf das der andere mit einem Bild reagieren muss.“ So habe er gerade erst ein Bild zum Wort „Erkenntnis“ gezeichnet, wobei er es auch liebt, beim Zeichnen Podcasts zu hören. Außerdem versucht er, viel zu lesen. Aber das sei schwierig, gibt er zu, „und meistens schaue ich dann doch Serien auf Netflix.“ Nur dass er selbst großen Wert darauf legt, diese in englischer Sprache zu gucken: „Das fordert mich mehr heraus.“

Die Corono-Krise hält ihn derzeit zwar von der Bühne ab. Aber der 1884 geborene Pfälzer, der bislang immer in einer WG gewohnt, nun aber in Neuss allein ein Wohnung hat und das auch wegen des Platzes zu genießen weiß, hat dafür umso mehr Zeit, ein Projekt durchzuziehen, dass ihm am Herzen liegt und viel Zeit und Aufmerksamkeit beansprucht. Er will in seinem kleinen Studio „So was wie Late Night“ (der Titel) produzieren, zu der ihm Kollegen aus der ganzen Bundesrepublik Videos schicken sollen. „Macht, was ihr wollt“ ist dabei die einzige inhaltliche Bedingung, die er stellt. Technisch hingegen hofft er, dass nicht ein Selfie-Video gemacht wird, sondern eine richtige Kamera eingesetzt wird. „Das dürfte für die wenigsten Kollegen, die nun zu Hause sitzen und nicht spielen dürfen, kein Problem sein“, meint er.

     Das Studio für Schardts „So was wie Late Night“.

Das Studio für Schardts „So was wie Late Night“.

Foto: Schardt

In Schardt steckt auch ein Fotograf: „Lange Jahre habe ich in den Theatern hinter den Kulissen fotografiert“, sagt er, „bin über das Fotografieren zum Zeichnen gekommen und habe mir in der Folge in jeder Wohnung ein kleines Studio aufgebaut.“ Ein Sessel, ein Tisch, eine Lampe, eine Flasche Wein  und ein Kaktus warten nun in Neuss darauf, dass Schardt „So was wie Late Night“ moderiert. Da er offen zugibt, am liebsten im Zusammenspiel mit Kollegen zu agieren, flößt ihm der Gedanke an dieses Einzelprojekt einen „Heidenrespekt“ ein. „Natürlich wäre es toll, wenn ich jemanden finden könnte, der es mit mir zusammen macht.“

Auch Antonia Schirmeister gehört zu den „Neuen“ im Ensemble des RLT. Die Schauspielerin inszeniert auch, darf aber derzeit nicht arbeiten. Weder auf noch vor der Bühne. Die 1984 in Freiburg geborene Schauspielerin und Regisseurin ist gerade im Schwarzwald bei ihren Eltern und gibt zu, dass ihr Tagesablauf im Moment eher „unspektakulär“ ist. Vermutlich wird ihre Schwester in Berlin das anderes sehen, denn „zumindest per Skype versuche ich, deren kleine Kinder für eine Stunde zu beschäftigen. Denn ihre Eltern arbeiten im Homeoffice.“

Ansonsten liest Schirmeister viel und bereitet sich auf die nächste Saison vor. Genauer: auf die Inszenierung von „Black Rider“. Mit dem Musical soll die neue Spielzeit am 12. September eröffnet werden. Dabei weiß auch sie, dass es theoretisch jederzeit am RLT wieder losgehen könnte. Deswegen, so erzählt sie – ebenfalls am Telefon – lese sie den Text vor allem von der letzten Produktion „Schade, dass sie ein Hure war“ immer wieder, um ihn notfalls sofort wieder parat zu haben. „Aber“, so findet sie auch, „die Inszenierung ist noch recht frisch, so dass auch das mir nicht schwer fällt.“ Nachdem nun die Premiere von „Fünf im gleichen Kleid“ wegen der Schließung ersatzlos gestrichen wurde, kann sie dieses Stück in Gänze abhaken.

Dass eine Arbeit wie „Fellini. Ein Traum“ in Corona-Zeiten noch mal auf den Spielplan kommt, ist für sie unwahrscheinlich: „Da sind rund 30 Menschen auf der Bühne. Wie soll das gehen?“ Allerdings gebe es andere Produktionen, die man unter Einbeziehung der Abstandsregeln ummodeln könnte. „Es stellt sich nur die Frage, wie man künstlerisch damit umgehen kann“, sagt sie.

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