Neuss Bejubeltes Zeughauskonzert mit Jaroussky

Neuss · Es ist schon ungewöhnlich, dass ein Countertenor mit einem romantischen bis spätromantischen Programm reüssiert. Doch Philippe Jaroussky, der Senkrechtstarter unter den Countern, hat mit "Opium – Mélodies Françaises" durchschlagenden Erfolg.

Es ist schon ungewöhnlich, dass ein Countertenor mit einem romantischen bis spätromantischen Programm reüssiert. Doch Philippe Jaroussky, der Senkrechtstarter unter den Countern, hat mit "Opium — Mélodies Françaises" durchschlagenden Erfolg.

Vielleicht auch deshalb, weil sich seine Kollegen in dieser Stimmlage meist Barockem widmen. Der 1978 geborene Franzose erlebte einen besonderen Karriereschub durch das Einspringen für Andreas Scholl, den wohl bekanntesten Altus.

Seitdem reißen sich Konzertveranstalter und namhafte Alte-Musik-Ensembles um den gut aussehenden, dem Publikum freundlich zugewandten Sänger. 2008 wurde er als "Sänger des Jahres" mit einem Echo-Klassik ausgezeichnet — als erster Countertenor überhaupt.

Jaroussky nennt eine hell timbrierte, bruchlos geführte und extrem flexible Stimme sein Eigen, deren Interpretationsintensität keine Grenzen zu kennen scheint. Doch zeigte sich beim 5., sehr gut besuchten Zeughauskonzert mit Musik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, dass der Sänger nur über einen schmalen Bereich farblicher Schattierungen verfügt.

Das führte, bei aller Bewunderung für den Vokalisten, zuweilen zu einer nicht zu leugnenden Gleichförmigkeit. In der Barockmusik würde eine solche Einschränkung wohl weniger ins Gewicht fallen, aber die allesamt hörenswerten, weitgehend unbekannten Lieder unter anderem von Reynoldo Hahn, Ernest Chausson, Gabriel Fauré, Jules Massenet, André Caplet oder der als einziger Komponistin vertretenen Cécile Chaminade, die von zauberhaften Nächten, sinnlichen Erlebnissen, zerstörten Illusionen und verlorener Liebe handeln, bedürfen einfach einer reichen Farbpalette.

Dennoch war der außergewöhnliche Abend überaus spannend und gefüllt mit überraschenden, unerwarteten musikalischen Begegnungen. Was der Sänger an Schattierungen vermissen ließ, hatte der Pianist Jérome Ducros gleichsam im kleinen Finger. Mit erlesener Anschlagskultur, brillanter, doch nie vordergründiger Technik, die auch Extremes mühelos bewältigte, und mit viel Einfühlungsvermögen zauberte der Pianist mühelos das "Fin de siècle" bis zum "Opiumrausch" aus den Tasten.

Auch solistisch überzeugte Ducros — einmal mit "Automne" (Herbst) von C. Chaminade und mit dem von ihm selbst stilsicher aufs Klavier übertragenen Orgel-Präludium op.18 von César Franck.

Für den Jubel des Publikums dankten die Künstler mit drei hoch willkommenen, beschwingten bis virtuosen Zugaben.

(NGZ)
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