Am 9. November 1938 zerstört: Die ehemalige Synagoge Bauwerk prägte das Stadtbild an der Promenade

Neuss. Bis 1938 prägte sie das Neusser Stadtbild an der Promenade: die Synagoge. Dann, am 9. November, drangen gegen Mitternacht SA-Männer in das Innere des Gebetshauses ein und verwüsteten es. Wenig später brannte das ganze Gebäude nieder. Die rauch- und rußgeschwärzten Mauern wurden später abgetragen. Nichts blieb vom Zierrat der Fassade, von den vier kleinen, mit eisernen Davidssternen besetzten Türmchen. Als der Krieg ausbrach, entstand auf dem Grundstück der "Promenadenbunker".

Neuss. Bis 1938 prägte sie das Neusser Stadtbild an der Promenade: die Synagoge. Dann, am 9. November, drangen gegen Mitternacht SA-Männer in das Innere des Gebetshauses ein und verwüsteten es. Wenig später brannte das ganze Gebäude nieder. Die rauch- und rußgeschwärzten Mauern wurden später abgetragen. Nichts blieb vom Zierrat der Fassade, von den vier kleinen, mit eisernen Davidssternen besetzten Türmchen. Als der Krieg ausbrach, entstand auf dem Grundstück der "Promenadenbunker".

Genau 71 Jahre hatte die Synagoge der Neusser Jüdischen Gemeinde als Gebetsstätte gedient. Am Abend des 29. März 1867, einem Freitag, war ihre Einweihung erfolgt. Stefan Rohrbacher hat in seiner 1986 im Verlag der Galerie Küppers erschienenen Veröffentlichung "Juden in Neuss" den Hergang beschrieben: "Außer den Mitgliedern der Synagogengemeinde Neuss hatten sich viele Glaubensgenossen aus der Umgebung sowie Vertreter der Stadt und zahlreiche geladene Ehrengäste eingefunden.

Die allgemein wohlgefällig aufgenommene Festpredigt hielt der junge Dr. Israel Hulisch aus Schweidnitz, der erst wenige Tage zuvor nach Neuss gekommen war und bei dieser Gelegenheit seine erste Amtshandlung als Prediger und Lehrer der Gemeinde vornahm. Der Sängerchor der Synagogengemeinde Krefeld verschönerte das Fest, der greise Bernhard Heymann trug die hebräischen Weihegebete vor."

Das Bauwerk war nach Plänen des Neusser Bauinspektors Friedrich Weise errichtet worden. Dieser hatte hierzu auf neo-islamische Stilformen zurückgegriffen, die an die Urheimat des jüdischen Volkes erinnern sollten. In ihrer Frontalansicht wies die Neusser Synagoge manche Ähnlichkeit mit der wenige Jahre zuvor (1857-1861) von Ernst Zwirner erbauten Kölner Synagoge in der Glockengasse auf.

Anstelle der dort auf das Langhaus aufgesetzten Kuppel besaß die Neusser Synagoge ein einfaches Spitzdach mit Gauben. Die in rötlichem und hellem Sandstein errichtete Fassade, die durch horizontale Streifen gegliedert wurde, schmückten wie in Köln vier kleine Türme, Minaretts gleich, die von kleinen bauchigen Zwiebelkuppen bekrönt wurden. Hohe schlanke eiserne Turmspitzen endeten jeweils in einem vergoldeten Davidsstern.

Das aufwendige Portal wurde von zwei schlanken, vorgesetzten Pfeilern gerahmt, die ebenfalls einen zwiebelhaubenförmigen Abschluss besaßen. Zwei schmale Fenster mit Hufeisenbögen durchbrachen den oberen Fassadenteil und bildeten mit einem mittleren Rundfenster eine Lichtquelle für den dahinter liegenden Innenraum. Von dessen Aussehen hat sich, soweit bekannt, keine Ansicht erhalten.

Überhaupt harrt das untergegangene, durchaus repräsentative und eigenwillige Bauwerk einer kunsthistorischen Beschreibung und Untersuchung. Über dem Portal befand sich eine hebräische Bauinschrift und eine Nachbildung der Gesetzestafeln, die Moses einst am Berg Sinai empfangen hatte. Das Langhaus wies in seinem Äußeren einige Ähnlichkeit mit der Seitenansicht des Zeughauses auf.

Wie dort, war die Wand von jeweils fünf hohen, halbrund abschließenden Fenstern durchbrochen. Waren schon die kleinen Davidssterne auf den Spitzen der vier Türmchen ein markantes Zeichen für die Zweckbestimmung des Gebäudes, so wurde diese noch besonders deutlich in einem großen, im oberen Mittelfeld der Fassade sichtbaren Davidsstern, den ein Kreis umschloss.

Die Wahl des neo-islamischen Stils durch Friedrich Weise für den Neusser Synagogenbau war nicht neu. Schon Gottfried Semper hatte diesen Stil in Dresden 1834 bis 1840 auf eine Synagoge angewandt, wenn auch nur im Innenraum. Seit den 1850er Jahren wurde dieser Stil für den Synagogenbau "salonfähig". Er geriet zum Synagogenstil schlechthin.

Mit dem Untergang der Synagoge verlor Neuss ein markantes Bauwerk, das in seinem Äußeren - und sicher auch in seinem Inneren - eine Bereicherung der Stadtstruktur bot. Max Tauch

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