Neuss Baum: Präsenz ist mangelhaft
Neuss · Aufregung in der CDU-Ratsfraktion. In einem Schreiben an die Stadtverordneten kritisiert Vorsitzender Karl-Heinz Baum, dass zu viele zu oft fehlen. Zugleich kündigt er noch für das Frühjahr ein "Fraktions-Coaching" an.
Karl-Heinz Baum ist sauer. Als der Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion die jüngste Sitzung eröffnen wollte, waren gerade einmal elf der 27 Stadtverordneten anwesend. Zwar trudelten nach und nach etliche Ratsfrauen und Ratsherren ein, doch dem verbalen Donnerwetter in der Sitzung ließ der Chef der Ratsfraktion ein Schreiben folgen, das moderat im Ton, aber deutlich in der Botschaft die Präsenz der Stadtverordneten als "teilweise sehr mangelhaft" beklagt. Baum erinnert seine Parteifreunde daran, dass bei "aller Last des Mandats" es "vor allen Dingen die Lust war", die "uns gelockt" habe.
Die angesprochenen Christdemokraten reagieren zurückhaltend. Unterstützung erfährt Baum vom Vorsitzenden der Neusser CDU, Jörg Geerlings: "Es ist im Kern richtig, wenn der Vorsitzende eine regelmäßige Präsenz bei den Fraktionssitzungen anmahnt." In der Ratsfraktion finde die interne Meinungsbildung statt, in der Fraktion würden die Sitzungen des Rates und seiner Ausschüsse vorbereitet.
In seiner Tabelle – Basis für die Grafik – listet Baum insgesamt 27 Fraktionsveranstaltungen seit der Kommunalwahl im Herbst 2009 auf. Neben ihm als Vorsitzenden nahm nur noch Ursula von Nollendorf an allen Terminen teil. Am Ende der Skala rangiert Ursula Nikolai, Ratsfrau aus Grimlinghausen. Sie bringt es nur auf sieben Teilnahmen. Es sei nicht immer leicht, räumt sie im Gespräch mit der NGZ ein, "Familie, Beruf und Ehrenamt unter einen Hut zu bringen". Als Vorsitzende des SC Grimlinghausen investiere sie viel Kraft: "Aber da stimmen jetzt die Strukturen wieder."
Berufliche Gründe führt auch Sebastian Rosen an. Er habe sich selbstständig gemacht und sein Büro aufgebaut. In zwölf Jahren habe er nur eine Ratssitzung verpasst, seine Präsenzquote von 44,4 Prozent bei Fraktionssitzungen werde sich erhöhen: "Ich habe meine berufliche Startphase beendet." Vorsitzender Karl-Heinz Baum ist spürbar bemüht, öffentlich das Thema nicht anzufeuern. Auf sein Präsenz-Schreiben sei er kaum angesprochen worden: "Die gehen noch alle in sich und analysieren ihre Zahlen." Doch Baum wird es bei dieser einen Mahnung nicht belassen.
Für die nächste Klausurtagung seiner Fraktion, die er noch vor Ostern einberufen will, kündigt der Vorsitzende ein "Fraktions-Coaching" an. Ein externer Berater soll dann die CDU-Stadtverordneten auf Präsenzdisziplin, auf ein konstruktives Miteinander und auf effektive inhaltliche Arbeit einstimmen und mit entsprechenden Instrumenten vertraut machen. Bürgermeister Herbert Napp (25,9 Prozent) glänzt nicht mit hoher Präsenz. Der sei aber, so Parteichef Geerlings, in einer Sonderrolle: "Der Rathaus-Chef hat viele Verpflichtungen. Da gibt es andere Gelegenheiten, sich auszutauschen." So sieht das auch Thomas Nickel, Napps Erster Stellvertreter: "Wenn ich fehle, dann habe ich andere Verpflichtungen." Napp kritisiert Baums Statistik: "Die Zahl zweifle ich an." Er sei regelmäßig bei den Fraktionssitzungen dabei, allerdings trage er sich seit einiger Zeit nicht mehr in Präsenzlisten ein.
