Jazzreihe Blue in Green in Neuss Hommage an Charlie Parker – mit dem Wissen von heute

Neuss · Um Charlie Parker, 1920 geboren und 1955 gestorben, ranken sich Legenden und Mythen. Anfang der 1940er-Jahre hob der Saxofonist unter anderem mit Trompeter Dizzy Gillespie und Pianist Thelonious Monk in New York den Bebop aus der Taufe und veränderte somit den Jazz jener Tage, der damals als „Swing“ vor allem unterhaltend und tanzbar sein sollte, radikal.

 Axel Fischbacher war in der Alten Post mit „Five Birds“ zu Gast.

Axel Fischbacher war in der Alten Post mit „Five Birds“ zu Gast.

Foto: Sensitive Colours

Parkers Persönlichkeit war aber auch gebrochen: leidenschaftlich und hochsensibel einerseits, sprunghaft und zerrissen andererseits. „Bird“ war sein Spitzname: Wie ein Vogel konnte er gelassen über den Akkorden schweben; wie ein Adler konnte er aber auch im rasenden Sturzflug tief hinabstoßen in das Maschinehaus der komplexen Bebop-Harmonik.

Wie lässt sich diese gleichermaßen geniale wie gebrochene Künstlerpersönlichkeit in die Gegenwart einer aktuellen, improvisierten Musik übertragen, ohne zur Legenden- und Mythenbildung beizutragen? Wie lässt sich das Repertoire Parkers, das seit dessen Tod tausendfach von Amateur- und Profimusiker*innen gespielt worden ist, in die Sprache eines Improvisationsmusikers aus Deutschland transformieren?

Axel Fischbacher, 62 Jahre alt, hat sich bei „Blue in Green“ in der Alten Post dieser Fragen gestellt. „Five Birds“ hat der Gitarrist aus Wuppertal seine Hommage an Parker genannt. Schon die Besetzung seiner Band verweist auf seinen Drang zur Erneuerung und Veränderung. Die Rolle und Funktion des Pianos im „klassischen“ Bebop-Quintett Parkers übernimmt er mit seinem Instrument. Die Trompete, die in der Regel Parkers Altsaxofon zur Seite gestellt war, ist bei Fischbacher das Flügelhorn: mit geschmeidigem Timbre und fließender Phrasierung. Doch das ist nicht alles.

Fischbacher hat zudem binnenmusikalisch Stellschrauben in einigen Bebop-Klassikern aus dem „Songbook“ Charlie Parkers gedreht. In „Donny Lee“ zum Beispiel, einer Paradenummer für die Kunst und Virtuosität dieses afroamerikanischen Altsaxofonisten. Das rasende Tempo des Originals hat er durch einen mit Schlagzeug (Tim Dudek) und Bass (Nico Brandenburg) gespielten, erdig-bluesigen Riff reduziert, bevor das unisono mit Sopransaxofon (Denis Gäbel) und Flügelhorn (Matthias Bergmann) vorgestellte Thema wie eine Sturmböe über diesen Riff hinwegfegt. Während Fischbacher in seinem Chorus diese harmonisch wie rhythmisch entkernte Groove erneut aufgreift und sie mit rockendem Tonfall durchführt, nimmt Gäbel einen anderen Weg. Bass und Schlagzeug wechseln ins Originaltempo, und Gäbel durchleuchtet auf dem Sopransaxofon die komplexe Harmonik von „Donna Lee!“ – mit dem Wissen und der Erfahrung eines jüngeren Jazzmusikers von Heute: vollkommen frei in seiner Haltung gegenüber dem (jazz-)historischem Material.

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