Neuss Auseinandersetzung mit der Bibel

Neuss · Am vergangenen Wochenende feierte das inklusive Theaterprojekt "Vier Neue Testamente" der Opernwerkstatt am Rhein im Kulturforum "Alte Post" eine facettenreiche Premiere. Aber was hatte es mit den Schlafbrillen auf sich?

 Einen multimedialen Ansatz zu den "Vier Neuen Testamenten" hat der Künstler Arno Wallraf mit "Irgend/et/was" gewählt.

Einen multimedialen Ansatz zu den "Vier Neuen Testamenten" hat der Künstler Arno Wallraf mit "Irgend/et/was" gewählt.

Foto: Arno Wallraf

Die Bibel erzählt Geschichten von Menschen, sie erzählt von alt- und neutestamentarischen Begebenheiten und markanten Wundern. Seit Jahrhunderten bildet sie das religiöse Fundament des Abendlandes und ist darüber hinaus noch vielmehr: Eine Einladung zur Auseinandersetzung mit dem menschlichen Glauben an Gott.

Wie das aussehen kann, zeigte am vergangenen Samstagabend die Uraufführung von "Vier Neue Testamente" der Opernwerkstatt am Rhein im Kulturforum "Alte Post". Was dieses Projekt - gefördert wird es von der Aktion Mensch und der Kämpgen-Stiftung - über das Sujet hinaus sehr vielversprechend macht, ist die Tatsache, dass bei diesem "Multisensorischen Theater" jeweils zwei Frauen und zwei Männer mit Handicap als Regisseure aktiv geworden sind.

Den Beginn des Theaterstück-Quartetts läutet die blinde Komponistin und Pianistin Sigrun Paschke mit ihrem Stück "Jesus und die Samariterin" ein, das ganz auf die akustische Wahrnehmung setzt. Am Eingang zum Theatersaal muss sich jeder Gast eine Schlafbrille nehmen, die es beim ersten Stück zu tragen gilt. Was sich zuerst ungewohnt anfühlt, wird schnell zu einer erfrischenden Art, das biblische Gleichnis über das Gehör vermittelt zu bekommen.

Im Mittelpunkt steht Jesus, der mit der Samariterin spricht. Jesus brach mit den damaligen Konventionen, als er auf eine samaritanische Frau, die aus einer vermeintlich verfeindeten Volksgruppe stammte, zuging. Der Chiasmus "gleich unterschiedlich, unterschiedlich gleich" bildet nicht nur die Quintessenz des ersten Stücks, sondern auch der Abendveranstaltung, wenn nicht sogar des zwischenmenschlichen Lebens überhaupt: Ja, die Unterschiede sind da, aber immer wieder sind wir angehalten, den Segen darin zu sehen.

Das zweite Stück des Abends trägt den Titel "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes" und weist die wohl klassischste Form des Abends auf. Der Schauspieler Nico Randel, der im Kat 18 im Süden Kölns aktiv ist und das Down-Syndrom hat, zeigt Jesu Leidenswegs vom letzten Abendmahl bis zur Auferstehung. Wie er selbst angibt, ist ihm der Glaube an Jesus sehr wichtig und damit verbunden auch eine authentische Darstellung dieser Bibelsequenz.

Die dritte im Bunde ist die Erziehungswissenschaftlerin und Referentin Kathrin Lemler, die sich ausschließlich über Kopf- und Augenbewegungen verständigen kann. In der von ihr entwickelten Kurzaufführung begegnen wir vier Menschen, die jeweils alle an einem Problem knapsen und dann gemeinsam versuchen, Kontakt zu Gott aufzubauen. Dabei ist Gott, gespielt von Arzu Coruh, gar nicht fern. Popcorn essend verfolgt er die Bemühungen der vier Gebeutelten mit, um dann doch noch helfend einzugreifen.

Zuletzt präsentiert Arno Wallraf seine "lyrische Performance". In einem Club diskutieren mehrere Jugendliche über Gott und die zehn Gebote. Zwischen flackernden Lichtern, pulsierender Elektromusik und immer hitzigeren Meinungsverschiedenheiten zeigen sich "die persönlichen Erfahrungen der Schauspieler" mit dem Thema Glauben.

(NGZ)
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