Neuss Aus für die neue Kunstsammlung

Neuss · Die Ratspolitiker entscheiden sich mehrheitlich gegen die Annahme einer Jugendstil-Sammlung, deren Wert auf mindestens 35 Millionen geschätzt wird. Sie vertun damit eine Zukunftschance für die Stadt.

 Franz von Stucks berühmtes Gemälde "Die Sünde" von 1907 gehört zu der privaten Kunstsammlung, die Neuss angeboten wurde.

Franz von Stucks berühmtes Gemälde "Die Sünde" von 1907 gehört zu der privaten Kunstsammlung, die Neuss angeboten wurde.

Foto: Stadt Neuss

Das bedeutendste Ereignis der Neusser Kultur in 2016 auf Jahre hinaus findet im Ratssaal ein Ende. Noch zur Jahreswende waren viele optimistisch, dass die Stadt nicht Nein sagen würde zu der Schenkung einer der größten geschlossenen Sammlung an Jugendstil-Kunst und -kunsthandwerk, die das Clemens-Sels-Museum mit einem Schlag zu einem mindestens bundesdeutschen, wenn nicht weltweiten Zentrum für diese Epoche gemacht hätte. Doch eine Mehrheit der Ratspolitiker spricht sich dagegen aus: Mit 33 zu 31 Stimmen bei vier Enthaltungen wird die Annahme abgelehnt (16. April).

Ein 87 Jahre alter Sammler, der seine familiären Wurzeln in Neuss hat, will seine Sammlung mit Kunst und Kunsthandwerk des Jugendstils (Schätzwert mindestens 35 Millionen Euro) der Stadt schenken, verlangt dafür aber die Erweiterung des Museums. Dafür entwirft Architekten Gernot Schulz drei Modelle und orientiert sich dabei an einer Modulbauweise für die drei Bauten. Der Kostenrahmen bewegt sich nach Berechnungen der Kulturverwaltung zwischen elf und 20 Millionen Euro, eine neue Berechnung der städtischen Kämmerei sieht Kosten bis 30 Millionen auf die Stadt zukommen. Und der Denkmalschutz meldet sich auch zu Wort (16. Februar).

Rund 5,5 Millionen Euro an Spenden und Fördergelder kann Kulturdezernentin Christiane Zangs schon einsammeln, teils noch mitttels Absichtserklärungen, aber auch schon in Euro und Cent (24. Februar). Allein der Museumsverein trägt eine Summe von 420.000 Euro zusammen (29. März).

Die Abstimmung über die Sammlung und die Erweiterung des Museums hatte schon im Dezember 2015 angestanden, war aber vertagt worden, weil Bürgermeister Reiner Breuer (SPD) noch zu viele offene Fragen sah. Bis zur endgültigen Abstimmung im April dieses Jahres lässt die Diskussion über das Pro und Contra die Wogen hochgehen. Im Finanzausschuss werden zudem Alternativ-Standorte wie die ehemalige Münsterschule, der Wendersplatz oder die Raketenstation aufführt - ohne dass daraus ein Antrag erwächst (18. Februar).

Karlhans Pfleiderer und Roland Kehl, der eine Architekt und früher Vorsitzender des RLT-Fördervereins, der andere ehemaliger Grünen-Ratsherr, tun sich als Bürger zusammen und organisieren eine öffentliche Diskussion, die wiederum in die Diskussion gerät, als sich herausstellt, dass die Stadt mit Breuer an der Spitze dem Architekten Schulz die Teilnahme untersagt (3. März).

Nur wenige Tage nach Bekanntmachung der Veranstaltung setzt Breuer eine Informationsveranstaltung zu den Museumsplänen im Ratssaal an, die er selbst moderiert - im Anschluss an die Sitzung des Hauptausschusses. Er bleibt hart in der Ablehnung einer Teilnahme von Gernot Schulz an der von den Bürgern initiierten Diskussion am 4. April, aber kündigt die Teilnahme von Planungsdezernent Christoph Hölters an (10. März).

Die öffentliche Podiumsdiskussion am 4. April im voll besetzten Pauline-Sels-Saal im Romaneum, an der unter anderem auch der frühere Neusser Kulturchef und Stadtdirektor Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff teilnahm, wird weitgehend von Befürwortern der Sammlung und der Museumserweiterung dominiert. (6. April). Gleichwohl richten sie nichts mehr aus, ebenso wenig wie Appelle von Neusser Politikern wie Thomas Nickel (CDU) oder Geistlichen wie dem früheren Weihbischof von Köln und heutigen Bischof in Würzburg, Friedhelm Hoffmann (8. und 13. April).

Mit Ablehnung der Sammlung und der Erweiterung des Clemens-Sels-Museums vertut die Stadt die Chance, das Haus zukunftssicher aufzustellen. Ständig plagen bauliche und technische Probleme das Haus am Obertor (21. April).

Das Aus lässt zudem die Diskussion um die Verlagerung der Neuhaus-Skulptur vom Höffner-Gelände auf die Grünfläche am Clemens-Sels-Museum wieder aufleben. Im Zuge der Bauarbeiten hätte die "Endlosschleife" mit versetzt werden können, die Kosten wären darin aufgegangen (20. Juli). Rund 60.000 Euro kostet die pure Verlegung. Die SPD setzt sich im Kulturausschuss mit ihrem Antrag durch, das Geld im kommenden Etat bereitzustellen (25. November). Die schwarz-grüne Mehrheit beschließt jedoch schon im Finanzausschuss, das Geld nicht im Etat 2017 zu verankern (2. Dezember).

(hbm)
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