Bolschoi-Ballettschule Auf nach Moskau

Bolschoi-Ballettschule · Die 19-jährige Jekaterina Assanov beginnt in knapp zwei Wochen eine dreijährige Ausbildung am berühmten Bolschoi-Ballett in der russischen Metropole und weiß genau, was sie erwartet.

 Ballettschuhe sind schon mal in zwei Wochen durchgetanzt, also wird Jekaterina Assanov mindestens zehn Paar mitnehmen.

Ballettschuhe sind schon mal in zwei Wochen durchgetanzt, also wird Jekaterina Assanov mindestens zehn Paar mitnehmen.

Foto: Woi

Der Körper groß und schlank; die Bewegung grazil und kraftvoll; das Gesicht beherrscht von großen braunen Augen und einem vollen Mund; lange dunkle Haare, die zu einem strengen Knoten geschlungen sind — schon äußerlich bringt Jekaterina Assanov alle Voraussetzungen mit, die man gemeinhin von einer klassischen Balletttänzerin erwartet. Aber die Neusserin ist erst 19 Jahre alt, steht noch am Anfang ihrer Laufbahn und weiß genau, dass harte Zeiten sie erwarten. Denn Jekaterina beginnt in der nächsten Woche ihre dreijährige Ausbildung am Bolschoi-Ballett, einem der berühmtesten der Welt, dessen Schule jedoch auch dafür bekannt ist, ihren Eleven nichts zu schenken.

 In "Schwanensee" stand Jekaterina als Statistin auf der Bühne.

In "Schwanensee" stand Jekaterina als Statistin auf der Bühne.

Foto: privat

Mit "Peitsche und kein Zuckerbrot" umschreibt die Mutter der 19-Jährigen, Sina Assanov, in einer Mischung aus Lachen und Besorgnis den Unterrichtsstil in der Moskauer Institution. Was sie beruhigt: Die Tochter hat bereits ein Probejahr an der Bolschoi-Ballettschule hinter sich und macht sich keine Illusionen. "Die Lehrer sind sehr, sehr streng und ständig wird man nur kritisiert", erzählt die Tänzerin. So manches Mal hatte sie sich am Telefon gegenüber der Mutter auch ausgeweint — "bis ich mir sagte, dass dahinter nur das Ziel steckt, uns weiterzubringen."

Dass Jekaterina 2008 die Einladung zu dem Probejahr angenommen hatte, war für die gebürtige Moskauerin, die mit ihren Eltern vor 13 Jahren nach Neuss kam, die schwerste Entscheidung. Denn die bedeutete, das Abitur aufzugeben, doch sie wusste auch: "So eine Chance vom Bolschoi bekommt man nie wieder." Also hat sie das Quirinus-Gymnasium nach der zwölften Klasse verlassen — wohl überlegt und mit Rückendeckung der Eltern, die sich immer noch ein bisschen über die große Tanzbegabung- und leidenschaft der Tochter wundern: "Es gibt in unserer Familie überhaupt keine Anlagen dafür", sagt Sina Assanov.

Und bis zu ihrem 14. Lebensjahr hatte auch nicht viel darauf hingedeutet, dass aus Jekaterina eine Balletttänzerin werden würde. Dann aber bestand sie darauf, an der Ballettschule der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf vorzutanzen, wurde angenommen und fuhr die folgenden Jahre nach der Schule fünf Mal die Woche über den Rhein zum Unterricht, stand als Statistin abends auf der Bühne. "Ich bin damals einfach hingegangen und habe um einen Termin zum Vortanzen gebeten", sagt Jekaterina lachend. Einfach hingegangen — so hat sie es auch vor knapp zwei Jahren in Moskau gemacht, als die Familie Verwandte besuchte, und Jekatarina in einer "sekundenschnellen Entscheidung" am Bolschoi anklopfte. Beim längeren Nachdenken hätte sie sich wohl nicht mehr getraut, gesteht sie.

Und wie schon in Düsseldorf wurde auch in Moskau ihr Potenzial erkannt. Auf einen Monat musste sie das Vortanzen, sprich: die Teilnahme am Unterricht, ausdehnen, danach folgte das Probejahr und jetzt schließlich die von vielen begehrte, aber den meisten verwehrte Zulassung als Studentin — wobei die Eltern für den Unterricht, die Internatsunterbringung, Ernährung und Ausstattung der Tochter aufkommen müssen. Z

wei Monate im Sommer und zwei Wochen im Winter wird sie Ferien haben und die natürlich zu Hause in Erfttal verbringen. Überhaupt ist für sie klar, dass sie nach der Ausbildung zurück nach Europa will: "Moskau ist wirklich eine ganz andere Welt." Irgendwann mal Erste Solistin zu sein, ist auch für Jekaterina ein Traum. Aber sie steht mit beiden Beinen viel zu fest im Leben, als dass sie sich etwas vormachen würde: "Jede Tänzerin möchte das."

(RP)
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