Neuss Auch Künstler treibt der Hunger

Neuss · 60 Künstler haben ein Buch gestaltet, das Rezepte aller Art mit eigens dafür geschaffenen Werken verknüpft. Der Verein Düsseldorfer Künstlerinnen hat "Künstlerhunger" im Grupello-Verlag herausgegeben.

 Die Herstellung seiner Brotpfanne interpretiert der Neusser Maler Christoph Rehlinghaus auf eigene künstlerische Weise.

Die Herstellung seiner Brotpfanne interpretiert der Neusser Maler Christoph Rehlinghaus auf eigene künstlerische Weise.

Foto: hbm

Christoph Rehlinghaus weiß Bescheid. "Künstler können sich nur selten Essen kaufen, so arm sind sie!" Deswegen steuert er ein Rezept bei, "um Reste zu verwerten: Nehmt, was da ist." Zum Beispiel "altbackenes Brot, alle möglichen Kräuter, viel Öl und vielleicht ein (geklautes) Ei". Für ein bis zehn Leute reichen bei ihm die Zutaten für seine Brotpfanne, die zusammen mit fast 70 anderen Rezepten gegen den "Künstlerhunger" im Buch gleichen Titels verzeichnet sind.

Und da alle 60 "Köche" zugleich Maler, Zeichner, Bildhauer, auf jeden Fall also Künstler sind, ist jedes Rezept auch nur ein Teil des Ganzen: Jede Doppelseite dieses 155 Seiten starken Buches, das im Düsseldorfer Gruppello-Verlag erschienen ist, ist zugleich ein Bild, gestaltet vom jeweiligen "Rezeptgeber". Rehlinghaus zum Beispiel drückt seine Brotpfanne einem Menschen in die Hand, der in der Haltung von Rodins Denker am offenen Feuer sitzt.

Herausgeber des Bandes ist der Verein Düsseldorfer Künstlerinnen. Er hatte auch Gastkünstler aus dem Bundesgebiet und aus Nachbarstaaten und -städten eingeladen, um dem Ganzen mit leichter Hand zusätzliche Würze zu geben -getreu dem Motto, das dem Buch vorangestellt ist und von Marie von Ebner-Eschenbach stammt: "Dem Hungrigen ist leichter geholfen als dem Übersättigten."

Ein gutes Dutzend der Künstler stammt dabei aus dem Rhein-Kreis oder arbeitet in demselben. Klaus Richter zum Beispiel, Kurator der Alten Post, aber zugleich auch Künstler mit Atelier in der Landeshauptstadt, ist dabei. Allerdings ganz und gar unkulinarisch, aber mit einem "Lebensrezept". Er zitiert den im vorigen Jahr gestorbenen Künstler Theo Lambertin: "Es ist erlaubt zu loben, Kritiker zu kritisieren, Kollegen zu beschimpfen, Sammler nicht zu kennen und Galeristen als Händler zu bezeichnen."

Während die Brotpfanne genießbar zu sein scheint, genauso wie "Omas Kartoffelsalat" von Renate Linnemeier oder "Herr Plettschers Reibekuchen" von Claudia Ehrentraut, ist beim Nachkochen von anderen Rezepten Vorsicht geboten. Helga Weidenmüller etwa empfiehlt die Herstellung von "Hasenleim", schreibt aber sicherheitshalber dazu: "Nicht zum Verzehr geeignet". Auch beim "Zwergengift", das die achtjährige Künstlerin-Tochter Carlotta Hiß anmischt, sollte man achtgeben. Zwar wirken die Zutaten unverdächtig, doch der Hinweis "Wichtig: vor dem Essen Zauberformel nicht vergessen" mag den einen oder anderen zögern lassen. Die Malerin Ada Blochwitz denkt bei "Pasta im Sommer, Pasta im Winter" wohl an den Hunger als hungriges Tier. Gleich zwei davon stehen sich mit gefletschten Zähnen gegenüber. Der Bildhauer Holt steuert zwei Rezepte bei. Eines ist nicht für "Kinder und sensible Gemüter geeignet" und wird von ihm in Form eines Comics serviert, das andere heißt schlicht "Die Nudel danach". Ohne weitere Erklärung, was er mit "danach" meint...

Ein wundervolles "Bilder"-Buch, das nicht nur so vielfältig wie die 60-köpfige Künstlerschar ist und in seiner Ästhetik jeden Bücherschrank ziert, sondern auch witzige Rezepte enthält.

(NGZ)
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