Neuss Assmann: "Die Kirchen werden in Neuss gehört"

Neuss · Kreisdechant Msgr. Guido Assmann, Oberpfarrer an St. Quirin, spricht im Interview über die Kultur der guten Vorsätze für das neue Jahr, über den Umgang der katholischen Kirche mit Fällen von Missbrauch und über die Frage, ob Neuss noch eine katholisch geprägte Stadt ist.

 Oberpfarrer Guido Assmann.

Oberpfarrer Guido Assmann.

Foto: Andreas Woitschützke

Herr Pastor, viele Menschen gehen mit guten Vorsätzen ins neue Jahr. Sie wollen nicht mehr rauchen, sie wollen abnehmen, sie wollen mehr Sport reiben. Ist es auch aus religiöser Sicht eine gute Tradition, an Silvester Vorsätze zu formulieren?

Msgr. Guido Assmann Auf jeden Fall. Als Christen sollten wir jeden Tag am Abend unsere persönliche Bilanz ziehen und — wenn erforderlich — uns vornehmen, was wir am nächsten Tag besser machen wollen. Ja, ich finde es gut, wenn wir an Silvester gute Vorsätze fassen, mit denen wir in das neue Jahr gehen.

Was wäre für Sie ein guter Vorsatz für das Jahr 2011?

Assmann Ich würde mich freuen, wenn wir das Stöhnen und Jammern hinter uns lassen und dafür mit etwas mehr Zuversicht in die Zukunft schauen. Angesichts der Probleme — Stichwort Missbrauch — war das zurückliegende Jahr ein schwieriges Jahr. Auch für die Kirche. Da mag es manchem schwer fallen, zur Tagesordnung überzugehen und wieder Optimismus zu verbreiten.

Haben Sie Verständnis dafür?

Assmann Wir müssen zu unserer Verantwortung für Fehler stehen, wir müssen Probleme ernst nehmen und wir dürfen Fehlleistungen nicht vergessen. Alles richtig. Aber das Wissen darum, darf uns nicht auf Dauer lähmen.

... und da sind noch die Menschen, die behaupten, früher sei alles besser gewesen. Ärgert Sie das?

Assmann Ob früher alles besser war, wage ich zu bezweifeln. Veränderung gehört zum Leben, denn ohne Veränderung nehmen wir uns die Chance zur Verbesserung. Schauen wir auf die Umstrukturierungen in der Katholischen Kirche. Die Gemeinden rücken mehr zusammen, Christen sind füreinander da und sie spüren, dass sie gemeinsam — auch in Neuss — noch eine Menge Gutes bewirken können. Wir sollten Positives mit ins neue Jahr nehmen.

Wie präsent ist das Thema Missbrauch noch? Werden Sie oft darauf angesprochen?

Assmann Wir müssen darüber sprechen, darum ist es gut, dass wir Priester auch oft zu diesem Thema um unsere Meinung gebeten werden. Das Erzbistum Köln geht offensiv mit dem Thema um, hat den ersten Missbrauchsfall in der Diözese selbst öffentlich gemacht. Auch wurden alle, die pastoral tätig sind, auf einer gemeinsamen Veranstaltung informiert und wir haben die Missbrauchsfälle in der Kirche bei uns im Dekanat Neuss/Kaarst auch besprochen.

Die Missbrauchsfälle können nicht ohne Folgen bleiben. Was bedeutet das für die Kinder- und Jugendarbeit?

Assmann Sie wäre tot, wenn jeder Erwachsene Angst hat, auch nur in die Nähe von Kindern oder Jugendlichen zu kommen. Wenn ein Generalverdacht auf alle fällt, dann ist das bedrückend, wenngleich auch verständlich.

Sie sind seit dreieinhalb Jahren Kreisdechant. Ist in dieser Zeitspanne das neu zu geschnittene Kreisdekanat mit 177.046 Katholiken in 13 Seelsorgebereichen zusammengewachsen?

Assmann Ich sehe keine größeren Probleme. Gerade der Katholikenrat bildet eine gute Klammer. Als Kreisdechant komme ich in allen Seelsorgebereichen vor — allein schon durch die Caritasarbeit, die es ja in jeder Gemeinde gibt. Ich versuche viel präsent zu sein, in dem ich viele Einrichtungen und Feste besuche.

Fakt bleibt die Kritik der Gläubigen. Die sagen, die Kirche zieht sich zurück. Es gibt immer weniger Gottesdienst? Was antworten Sie?

Assmann Zunächst ist der Mensch ein Gewohnheitstier. Neues lehnt er gern ab, zeigt sich aber oft später einsichtig, wenn er die Notwendigkeit oder die positiven Aspekte erkennt. Was mich aber ärgert ist, dass wir als Boten der schlechten Nachricht geprügelt werden. Nicht die Strukturreform der Kirche hat zu weniger Gläubigen und Priestern geführt, sondern die schwindenden Zahlen sind die Folge der demografischen und gesellschaftlichen Entwicklung. Die Alternative zum eingeschlagenen Weg wäre, dass beispielsweise in Neuss-Mitte zwei Kirchen mangels Priestern hätten geschlossen werden müssen. Das wäre doch unverantwortlich gewesen.

Sind Sie Manager der Kirche oder ein Seelsorger der Menschen?

Assmann Ich bin zunächst Priester, und als solcher auch Seelsorger. Seelsorge und Verwaltung sind nicht zu trennen. Eine gutes Management sorgt erst dafür, dass auch Zeit und Raum für die Nähe zu den Menschen bleibt. Ich persönlich will diese Seelsorge. Ich sitze im Beichtstuhl, ich bringe die Krankenkommunion. Allerdings kann ich auch bestimmte Dinge nicht mehr tun. Darum ist es gut, dass der Bischof die Arbeit neu zugeteilt hat. So werden Mitbrüder von Verwaltungsaufgaben entlastet und können sich verstärkt der Seelsorge widmen.

Der Seelsorgebereich "Rund um die Erftmündung" wartet auf einen Pfarrer. Wann kommt der?

Assmann Die Besetzung hat höchste Priorität. Auch im Generalvikariat. Es muss dringend etwas geschehen. Außerdem muss die Stelle des Krankenhaus-Geistlichen in Neuss wieder besetzt werden. Auch das ist sehr wichtig.

Nur noch 47 Prozent der Neusser sind Katholiken. Ist es richtig, da immer noch von einer katholischen Stadt Neuss zu sprechen?

Assmann Die Antwort überlasse ich anderen. Richtig ist, dass in Neuss immer noch möglich ist, was andernorts nicht mehr geht. Nehmen Sie das Beispiel der verkaufsoffenen Sonntage. Die Kirchen, nicht nur die katholische, sind gehört worden. Ob man unseren Überzeugungen letztlich folgt, ist eine zweite Sache. Wichtig ist, dass das Wort der Kirchen in der Gesellschaft zählt. Das ist in Neuss so und das soll in Neuss auch so bleiben.

Ludger Baten führte das Gespräch.

(dhk)
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