Angeklagte aus Neuss Neue Details im Schmuggel-Prozess

Neuss/Kleve/Emmerich · Einer der vier Angeklagten kündigte eine umfassende Erklärung für Dienstag an.

Ermittlungsakten, Gutachten, schriftliche Einlassungen – wer als Jurist in einem Prozess mitwirkt, muss viel lesen. Die Papierflut, die die Juristen im laufenden Prozess vor der Klever Wirtschaftsstrafkammer wälzen, ist aber selbst für Landgerichtsverhältnisse beachtlich. 15 Bände mit jeweils 250 Seiten umfasst die Hauptakte des Verfahrens, hinzu kommen Sonderhefte, Beiakten und 470 Fallakten im Strafprozess gegen vier Angeklagte, die Waren von China über Deutschland nach Polen geschmuggelt haben sollen. Ein Neusser Handelsunternehmen soll beteiligt gewesen sein.

Einer der Zeugen wurde am Freitag bereits zum zweiten Mal vernommen. Die Kammer hatte weitere Fragen zu Kalkulationen und einzelnen Fällen an den Steuerfahnder, der die umfangreichen Ermittlungen teilweise geleitet hatte. Die Ermittlungskommission „Steuermann“ des Zollfahndungsamtes Hannover wertete unter anderem E-Mail-Verläufe und Telefonate aus, ließ Containertransporte überwachen und reiste gar nach China, um mit den dortigen Behörden zu kooperieren. Die gemeinsamen Ermittlungen von Zollfahndungsamt und Klever Staatsanwaltschaft führten dann zu mehreren Haftbefehlen. So konnte der im laufenden Verfahren angeklagte 37-jährige Chinese vor knapp einem Jahr durch polnische Polizeikräfte in einem Warschauer Hotel festgenommen werden.

Laut Anklageschrift sollen bei mehr als 450 Containerlieferungen aus China – häufig Textilien – Einfuhrabgaben um insgesamt mindestens sechs Millionen Euro illegal verkürzt worden sein. Behilflich soll dabei der Emmericher Zoll gewesen sein, insbesondere ein Beamter, der mittlerweile pensioniert ist. In Hamburg seien die Container jeweils mit zu geringen Warenwerten für ein sogenanntes Versandverfahren angemeldet worden, so die Anklage. Dann hätten die Container eigentlich beim Emmericher Zollamt vorgeführt werden sollen. Der Umweg ist möglich, da das Versandverfahren erlaubt, irgendein Zollamt im EU-Raum anzusteuern.

Der Emmericher Zollbeamte, gegen den gesondert ermittelt wird, soll die Vorgänge an seinem Computer in Emmerich dann zwar abgewickelt haben – die Container aber seien meist gar nicht zur Beschau nach Emmerich transportiert worden, sondern direkt zum Zielort in Polen, so die Anklage. So konnten die mutmaßlich zu gering angesetzten Warenwerte gar nicht erst festgestellt werden.

Maßgeblich mitgewirkt haben soll an dem internationalen Schmuggel eine Neusser Handelsfirma. Zwei ehemalige Mitarbeiter sitzen in Kleve auf der Anklagebank. Einer hat seine – vermutlich untergeordnete – Rolle in dem Schmuggel bereits ausführlich eingeräumt. Zwei weitere Angeklagte – ein Chinese, der laut Anklage in Polen für den Schmugglerring aktiv gewesen sein soll, sowie ein Zolldeklarant einer mutmaßlich beteiligten Emmericher Firma – kündigten über ihre Anwälte Einlassungen an.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort