Sommernachtslauf Als Neuss noch eine Läuferstadt war
Neuss · "Bernie, Bernie . . .." hallte es durch die Gassen der Innenstadt. Doch es war ausnahmsweise kein Schützenkönig, dem die Neusser zu später Stunde huldigten. Es war Bernd Rangen, der "Jung' von der Furth", der sich an jenem 16. Juni 1983 zwei Plätze eroberte: einen im Herzen der Neusser und einen in der Sportgeschichte seiner Heimatstadt.
"Rangen forderte die Sehne bis zuletzt", titelte die NGZ zwei Tage später über den ersten Neusser Sommernachtslauf, ausgetragen zum Gedenken an den ein Jahr zuvor verstorbenen Oberbürgermeister Herbert Karrenberg. Die "Sehne", das war Hans-Jürgen Orthmann, 1980 Vize-Weltmeister im Crosslauf, haushoher Favorit und "Star" des ersten Stadtlaufs auf Neusser Boden. Der "Mann mit der Mütze" lief zwar als Sieger durchs Ziel — doch der "Jung von der Furth" saß ihm dabei stets im Nacken.
"Bernie, Bernie . . ." hallte es aus den Kehlen von zehntausend Zuschauern über den Markt. So viele waren gekommen an diesem Donnerstagabend. Eine Resonanz, die selbst die Veranstalter überraschte. Ihr im Grunde einfaches Konzept war aufgegangen. Es lautete: "Wir bringen den Sport zu den Leuten." Sie zielten auf die Herzen der Neusser — und trafen mitten hinein: Start um 22.30 Uhr im Fackelschein vor dem Bronzelöwen am Zeughaus, ein Rundkurs vorbei an Sankt Quirin und vor allem: ein Zieleinlauf "d'r Maat erop" — der Sommernachtslauf, das war ein um zwei Monate vorgezogenes Schützenfest, das war Fackelzug, Wackelzug und Spitzensport in einem.
Sie profitierten davon, dass Neuss damals Läuferstadt war: Zwar gab es noch keine Massen, die durch den Stadtgarten und rund ums Jröne Meerke joggten, doch Neusser mischten kräftig in der nationalen Spitze mit: Martin Grüning, Ralf Kionke, Bernd Kofferschläger, Bernd Rangen. Und auch die einstige Marathon-Weltrekordlerin Christa Vahlensieck (geborene Kofferschläger) hat Neusser Wurzeln. Für alle war ein Start beim Sommernachtslauf eine Selbstverständlichkeit — wie für die meisten deutschen Spitzenläufer: Hans-Jürgen Orthmann, Wolf-Dieter Poschmann, Werner Grommisch, Herbert Steffny, die Liste der Sieger und Platzierten aus den ersten Jahren liest sich wie ein "Who's who" der deutschen Leichtathletik.
Heute in einer Woche steht die 30. Auflage auf dem Programm. Start und Ziel sind auf dem Hamtorplatz, Sankt Quirin grüßt allenfalls aus der Ferne — und auch sonst hat der Sommernachtslauf mit den Gedanken seiner Gründungsväter außer dem Namen wenig gemein. Aber immerhin: Es gibt ihn noch.