Neusser Dreifachmord Als man die Leichen fand, saß er schon im Flieger

Neuss · Dem mutmaßlichen Dreifachmörder ist die Flucht ins Ausland gelungen. Als die Tat entdeckt wurde, saß er bereits in einer Maschine nach Istanbul. Aus der Familie heißt es, er ist in seiner Heimat Irak – außer Reichweite der Fahnder.

Rund 500 Menschen nehmen an Trauermarsch teil
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Dem mutmaßlichen Dreifachmörder ist die Flucht ins Ausland gelungen. Als die Tat entdeckt wurde, saß er bereits in einer Maschine nach Istanbul. Aus der Familie heißt es, er ist in seiner Heimat Irak — außer Reichweite der Fahnder.

18.25 Uhr am Montagabend: Am Düsseldorfer Flughafen hebt die Maschine der Turkish Airlines mit der Flugnummer TK 1528 mit Ziel Istanbul ab. An Bord: Fallah Sänger (35), der mutmaßliche Dreifachmörder von Neuss. Sein Vorsprung ist knapp, denn zur gleichen Zeit klingeln Angehörige an der Wohnungstür eines Mehrfamilienhauses in der Neusser Nordstadt, hinter der am Nachmittag seine Frau Saskia (26) und die Kinder Ismail (4) und Samara (8) durch Schüsse getötet wurden.

Die Angehörigen wenden sich an die Polizei, doch die Tat wird zu spät entdeckt. Als die Polizei Sängers Spur aufnehmen kann, hat sich der Verdächtige schon in seine Heimatstadt Kirkuk im Nordirak abgesetzt, unerreichbar für die deutschen Behörden.

Die Eheleute, seit 2004 verheiratet, hatten oft und lautstark gestritten. Seit zwei Jahren sind den Behörden auch gewalttätige Übergriffe des als aufbrausend bekannten Gelegenheitsarbeiters gegen seine Frau bekannt. An dem Tag, als er nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft seine Familie auslöscht, ist ihm nichts anzumerken.

Kurz nach 15 Uhr am Tattag betritt Sänger in Begleitung eines zweiten Mannes, der ein Mitwisser sein könnte, ein kleines irakisches Reisebüro an der Neusser Josefstraße. Völlig normal sei Sänger gewesen, erinnert sich der Inhaber. Der 35-Jährige fragt nach einem freien Platz in einer Maschine in die Türkei für den gleichen Tag, bucht unter seinem Geburtsnamen Oma einen Flug Economy-Class, zahlt bar. All das dauert kaum zehn Minuten.

Eine geplante Tat wäre Mord

Ob das Ticket vor oder nach den tödlichen Schüssen gekauft wurde, könnte für die Bewertung der Tat wichtig sein, bestätigt Staatsanwalt Christoph Kumpa, der den genauen Todeszeitpunkt aber noch nicht kennt. Denn ein Kauf vorher ließe auf eine geplante Tat schließen. Das wäre Mord.

Doch die Fahnder haben ein ganz anderes Problem. Sänger setzte sich — angeblich mit dem Bus — aus der Türkei weiter in den Nordirak ab, wo er am Mittwoch in seiner Geburtsstadt Kirkuk bei seiner Mutter auftaucht. Die will, dass das die Polizei erfährt und ruft andere Verwandte in Neuss an. Donnerstagfrüh werden die Behörden informiert, doch Kumpa kann die Nachricht auf Nachfrage nicht bestätigen, weil er sie nicht überprüfen kann. "Es gibt weder ein Auslieferungs- noch ein Rechtshilfeabkommen mit dem Irak", erklärt er. Fallah Sänger ist in seiner Heimat für ihn nicht mehr zu greifen.

Damit werde man sich im Fall des Falles nicht abfinden, kündigt Kumpa an. Ihm steht dabei nicht nur der förmliche Auslieferungsantrag offen, der über das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft im Irak auf dem großen Dienstweg an die dortigen Behörden gerichtet werden muss. "Es gibt auch die eine oder andere Connection, die man anzapfen kann", erklärt er. "Es gibt deutsche Hilfe zum Aufbau der Justiz im irakischen Kurdengebiet."

Die Leichen der drei Getöteten sind inzwischen obduziert, ein abschließendes Ergebnis liegt aber nicht vor, berichtet Kumpa. Den Angehörigen wurden die Opfer aber schon zur Beisetzung freigegeben. Die soll nun am kommenden Mittwoch auf dem Neusser Hauptfriedhof erfolgen. Der Vater der getöteten Saskia Sänger würde seine Tochter wie auch deren Kinder allerdings lieber in Berlin, wo sie geboren wurde, auf dem Teltower Friedhof neben ihrer Mutter beisetzen. Danach möchte er selbst auch wieder nach Berlin ziehen. "Hier habe ich ja jetzt niemanden mehr."

(RP/top/csi)
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