Neuss Alltagssituationen in Bildern verschlüsselt

Neuss · Die in Neuss aufgewachsene Malerin Alwina Heinz stellt im Atelierhaus und im Amtsgericht rund 50 Werke aus. Grundlage aller Malerei ist bei ihr die Durchdringung von realistischen Situationen mit Geist und Emotion.

 Menschen bewegen sich in durchsichtigen Röhren durch eine Stadt: ein chiffriertes Bild von Alwina Heinz dafür, dass der Mensch in einem Umfeld gefangen ist, das wiederum nur Teil eines noch größeren Kosmos' ist.

Menschen bewegen sich in durchsichtigen Röhren durch eine Stadt: ein chiffriertes Bild von Alwina Heinz dafür, dass der Mensch in einem Umfeld gefangen ist, das wiederum nur Teil eines noch größeren Kosmos' ist.

Foto: Andreas Woitschützke

Ein kleines Glasröhrchen, das Alwina Heinz auf der Straße fand, gab den Ausschlag. Steht es nicht für einen Raum im Raum? Für einen eigenen, durchsichtigen Kosmos im Kosmos? Und leben die Menschen nicht auch in einer solchen Glasröhre? Es sind die Situationen, die die Meisterschülern von Professor Grünfeld an der Düsseldorfer Kunstakademie zu ihren Motiven führen. Allerdings nicht als Eins-zueins-Abbildung, sondern durchdacht und gewissermaßen philosophisch seziert, in neuen Metaphern zusammengesetzt, deren Grundlage vor allem von dem Begriff "Dualität" geprägt ist.

Dass die 27-Jährige Malerin nach ihrer Ausbildung an der Kunstakademie noch ein Kunsttherapie-Studium in Dresden dranhängt, kann kaum verwundern. Nicht weil sie in diesem Bereich tätig sein will, sondern weil es ihr die Möglichkeit gibt, den tieferen Sinn hinter der Kunst und in der Kunst zu entdecken. Dass sie auf diesem Weg schon recht weit gekommen ist, belegt Kulturamtsleiter Harald Müller mit seiner Bemerkung: "Ihre Arbeiten haben mich so fasziniert, weil es selten ist, dass ein Künstler so tiefgründig und mit seiner Botschaft so präsent ist."

Und so hat er ihr eine Ausstellung im Atelierhaus ermöglicht. 14 Tage zeigt die in Neuss aufgewachsene Alwina Heinz dort parallel zu einer Ausstellung im Amtsgericht ihre Arbeiten. Insgesamt rund 50 sind, sagt sie, aber längst nicht alle, die sie auch hat. Sie würde immerzu malen, sagt die Künstlerin; "Ich habe so viele Bilder in meinen Kopf, produziere sehr schnell und nehme mir als Untergrund das, was gerade da ist." Dass sie dafür kein Atelier hat, sondern sich in ihrer Wohngemeinschaft einen Platz suchen muss, ficht sie nicht: "Irgendwo gibt es immer Platz", sagt sie.

Ihr großer Schaffensdrang korrespondiert mit ihrer Neugier im und aufs Leben. Zunächst hat sie Mathematik studiert (ach dem Abitur am Gymnasium Norf), "aber ich habe immer gemalt", sagt sie, und so hat sie sich dann doch an der Kunstakademie beworben. Schon an der Alten Post setzte die Jugendliche auf Künstler, "von denen ich was lernen konnte". Etwa bei Ildefons Höyng und dem Kursus "Freie Malerei", der ihr sehr viel bedeutet habe.

Doch das Kunststudium war nicht alles. Theologie und Philosophie hat sie noch studiert, das Hebräicum gemacht: Wenn man von einer Ganzheitlichkeit in der künstlerischen Arbeit, von einer Durchdringung gedanklicher, emotionaler und malerischer Prozesse sprechen kann — dann doch wohl im Fall von Alwina Heinz. Da passt es, dass ihre Bilder, die in ihrer Struktur tatsächlich auch an mathematische Gebilde erinnern, immer für beobachtete Situationen stehen, für die sie eigene Chiffren findet. Das Glasröhrchen zum Beispiel steht für das Umfeld, in dem sich der Mensch bewegt. Auf ihren Bildern sind diese nur graue Flächen in länglichen Gefäßen vor einer Häuserfront — und das ganze Bild hat auch wieder eine Rohrform: ein Kosmos im Kosmos im Kosmos ... Rote und grüne Streifen weisen auf die Beziehung untereinander, mal von Liebe, mal von Leere geprägt — für Heinz die Dualität im menschlichen Dasein schlechthin.

Ein anderes großes Bild ist inspiriert von der Beobachtung bei einem Konzert: "Da stand ein kleines Mädchen ganz allein vorne, und es wirkte sehr zerbrechlich. Aber man merkte, dass der Chor um es herum mit seiner Gemeinschaft es stützte", sagt sie. Und diese Situation, diese nur für das innere Auge sichtbare Unterstützung hat sie in ein Bild umgesetzt, auf dem die sichtbare Welt unter der Unsichtbaren verschwindet, ein Kraftzentrum die Beziehungsachsen nährt, die das "Kind" von beiden Seiten halten.

(NGZ)
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