Neuss Ärzte-Überschuss in Neuss

Neuss · Die Stadt Neuss ist in den meisten medizinischen Fachrichtungen deutlich überbesetzt. So liegt der Versorgungsgrad bei Internisten bei weit über 300 Prozent. Lange Wartezeiten werden dennoch nicht verhindert.

Wer in Neuss krank wird, braucht sich keine Sorgen zu machen, einen Arzt zu finden. Zumindest nach der Statistik. "Die Stadt Neuss ist hervorragend besetzt mit Medizinern aller Fachrichtungen", sagt Karin Hamacher, Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein, dem entscheidenden Ärztegremium.

Und sie legt Zahlen vor. Danach liegt der Versorgungsgrad bei den Urologen mit drei Ärzten knapp unter der Versorgungsmarke von 100 Prozent, bei den Hausärzten mit 95 Medizinern bei 117 Prozent. Alle anderen Fachbereiche liegen zum Teil deutlich darüber.

Spitzenreiter sind die fachärztlich tätigen Internisten und die Anästhesisten mit Versorgungsgraden von mehr als 300 Prozent. Nervenärzte, Chirurgen und Hautärzte sowie Psychotherapeuten gibt es laut Statistik etwa doppelt so viele wie benötigt.

"Ärzte sind streng budgetiert"

Ein Ärzte-Überschuss in Neuss — und dennoch müssen die Patienten insbesondere bei vielen Fachärzten oft wochenlang warten, um einen Termin zu bekommen. Eine Erklärung hat Dr. Gerhard Steiner (59), Allgemeinmediziner aus Grimlinghausen und seit kurzem Vorsitzender der Kreisstelle Neuss der KV: "Die Ärzte sind streng budgetiert und haben ihr Regelleistungsvolumen bereits nach sechs oder acht Wochen im Quartal erreicht. Alle weiteren Behandlungen werden — wenn möglich — in das nächste Quartal verschoben. Die Patienten müssen warten."

Freie Arztstellen, zum Beispiel wenn sich ein Mediziner zur Ruhe setzt, gibt es nach Aussage von Karin Hamacher derzeit im gesamten Rhein-Kreis Neuss nicht. "Doch so begehrt wie früher sind die Stellen nicht", hat die KV-Sprecherin festgestellt. "Die Risiken für den einzelnen Mediziner sind größer geworden, die Banken sind zurückhaltender bei Krediten und die Ansprüche der jungen Mediziner sind höher geworden", nennt Steiner einige der Ursachen. Der Kreisvorsitzende rechnet sogar damit, dass es "in fünf bis sechs Jahren auch in Neuss zu einem Nachwuchsproblem in der Ärzteschaft kommen könnte".

Das Problem: "Auf sich alleine gestellt, kann kaum eine Praxis wirtschaftlich überleben", so Steiner. Die Konsequenz: "Fachärzte schließen sich weiter zu großen Einheiten in den Ärztehäusern zusammen, um die Kosten zu minimieren, für die Patienten werden die Wege weiter", folgert der Mediziner.

Viele ältere Hausärzte werden ebenfalls Schwierigkeiten haben, Nachfolger zu finden: "Auf die jungen Hausärzte kommen 24-Stunden-Dienste bei immer schlechterer Bezahlung zu." Aber dieses Problem wird kommen: Weit mehr als die Hälfte der Haus- und Fachärzte ist zwischen 50 und jenseits der 60 Jahre alt.

(NGZ)
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