Neuss Ärzte in Sorge um "verlorene Generation"

Neuss · Symposium im St.- Alexius-/St.-Josef-Krankenhaus diskutierte Möglichkeiten der Hilfe für traumatisierte Flüchtlinge.

 Diskutierten im Alexius: Dr. Martin Köhne, Professor Thomas Loew, Dr. Andrea Kuckert-Wöstheinrich, Dr. Ali Kemal Gün, Professor Kneginja Richte, Haja Molter.

Diskutierten im Alexius: Dr. Martin Köhne, Professor Thomas Loew, Dr. Andrea Kuckert-Wöstheinrich, Dr. Ali Kemal Gün, Professor Kneginja Richte, Haja Molter.

Foto: Augustinus-Kliniken

Auch wenn inzwischen weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen: Die Menschen, die zwischen Alpen und Nordsee Schutz suchen, brauchen sehr häufig psychiatrische Hilfe. Diesem Thema stellte sich das St.- Alexius-/St.-Josef-Krankenhaus in einem Symposium, bei dem sich jetzt rund 50 Fachärzte und Therapeuten auch über niederschwellige Angebote in der Behandlung traumatisierter Asylbewerber und Flüchtlinge austauschten. Es war bereits die zweite Diskussionsrunde dieser Art innerhalb weniger Monate, das zeigt die Aktualität der Aufgabe.

Dr. Martin Köhne, Geschäftsführer und ärztlicher Direktor des auch von ihm als "Zentrum für seelische Gesundheit" bezeichneten Fachkrankenhauses St. Alexius/St. Josef erinnerte an die Situation, vor die sich die psychiatrische Fachklinik im Jahr 2015 gestellt sah. In kurzer Zeit mussten und konnten zahlreiche traumatisierte Patienten behandelt werden. "Auch wenn die Situation jetzt entspannter ist, müssen wir uns weiter um diese Menschen kümmern, um keine verlorene Generation heranwachsen zu sehen", erklärte Köhne. Daher will sich die Klinik auch weiterhin dem Thema stellen.

Im Rahmen eines ganztägigen Symposiums berichteten vier namhafte Referenten von ihren Erfahrungen und diskutierten in den anschließenden Workshops mit Kollegen. Dr. Ali Kemal Gün, Migrationsbeauftragter der Klinik Köln des Landschaftsverbandes, stellte heraus, dass vor allem Fachleute interkulturell geschult sein müssen, um diese Menschen besser verstehen zu können. Dafür müssen auch eigene Fremdheitsgefühle überwunden werden. "Schließlich sind wir die Profis", sagte Gün seinen Kollegen auf. Auch die Arbeit mit Dolmetschern brauche geschulte Psychologen und Übersetzer, um professionell helfen zu können.

Mit der Diagnostik psychischer Erkrankungen bei Asylbewerbern beschäftigt sich Professor Kneginja Richter vom Klinikum Nürnberg. Bei einem Forschungsprojekt in einer Flüchtlingsunterkunft diagnostizierte sie unter den zufällig ausgewählten Bewohnern bei knapp 30 Prozent eine posttraumatische Belastungsstörung.

Der Weg in eine Behandlung werde durch bürokratische Hürden erschwert, daher blieben viele Flüchtlinge ohne Hilfe. Einen Blick auf die als Resilienz bezeichnete Eigenschaft von Menschen, belastende Ereignisse nicht so schnell zu ernsten Problemen werden zu lassen, unternahm Haja Molter, ein Diplom-Psychologe.

Professor Thomas Loew von der Universität Regensburg stellte das Konzept der Traumahelfer vor: geschulte Laien, die als Ersthelfer Belastungen erkennen und Therapeuten mit einfachen nonverbalen Mitteln unterstützen. So könnten mehr Kinder und Jugendliche behandelt werden. Die ehrenamtlichen Helfer kommen aus verschiedenen Bereichen und begegnen Flüchtlingen in ihrer Arbeit als Lehrer, Erzieher oder Sozialpädagogen. In einer ersten Traumahelfer-Schulung habe die Klinik bereits 54 solcher Ersthelfer erfolgreich geschult. Aufgrund der hohen Nachfrage soll im kommenden Jahr noch eine zweite Schulung angeboten werden.

(NGZ)
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