Zahl im Rhein-Kreis-Neuss gestiegen Wie ein Schwangerschaftsabbruch abläuft

Rhein-Kreis · Immer mehr Frauen ziehen in Erwägung, ihre Schwangerschaft abzubrechen. Doch es gibt keinen einzigen Gynäkologen im Rhein-Kreis, der Abtreibungen durchführt. Was häufige Gründe für einen Abbruch sind und wie er abläuft.

 Wer einen Schwangerschaftsabbruch anstrebt, ist gesetzlich dazu verpflichtet, eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle zu besuchen. In Neuss gibt es zwei davon, die auf die persönlichen Bedürfnisse der Frau eingehen.

Wer einen Schwangerschaftsabbruch anstrebt, ist gesetzlich dazu verpflichtet, eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle zu besuchen. In Neuss gibt es zwei davon, die auf die persönlichen Bedürfnisse der Frau eingehen.

Foto: dpa-tmn/Mascha Brichta

Bundesweit ist die Zahl der Abbrüche in 2022 deutlich gestiegen – sie erreichte den höchsten Wert seit zehn Jahren. Auch im Rhein-Kreis gingen die Zahlen nach oben, erklären die beiden Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in Neuss.

2022 ist im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Frauen im Kreisgebiet, die eine Schwangerschaftskonfliktberatung in Anspruch genommen haben, von 483 auf 547 und demnach um 12 Prozent gestiegen. Die Zunahme mache sich auch in diesem Jahr bereits bemerkbar. Die gesetzlich vorgeschriebene Beratung ist rechtliche Voraussetzung für den straffreien Abbruch. In Neuss beraten donum vitae sowie das Kreisgesundheitsamt. Ihr Angebot ist staatlich anerkannt, kostenfrei, neutral, ergebnisoffen und anonym.

Die größte Altersklasse derer, die im Rhein-Kreis einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung gezogen haben, lag weiterhin bei den 27- bis 34-Jährigen – etwa über einem Drittel –, gefolgt von den 22- bis 26-Jährigen und den 35- bis 39-Jährigen. In 2022 besuchten etwa drei Prozent der Minderjährigen die Konfliktberatungsstelle. Mehr als die Hälfte der Frauen, die aus dem Rhein-Kreis beraten wurden, waren bereits Mutter. Als häufigsten Grund für den Schwangerschaftsabbruch gaben betroffene Frauen die finanzielle beziehungsweise wirtschaftliche Situation sowie die körperliche und/oder psychische Verfassung an. Auch partnerschaftliche Probleme und die berufliche Situation waren häufige Gründe für den Abbruch. Etwa ein Drittel der Frauen gab ebenso an, dass der Kindesvater nicht zu ihnen oder zur Schwangerschaft stehe.

Magdalena Just von der Beratungsstelle des Gesundheitsamts betont aber auch: „Die Gründe sind individuell.“ Die Beraterin habe die Wahrnehmung, dass Menschen heutzutage immer häufiger das Thema Schwangerschaft in Frage stellen als noch vor ein paar Jahren.

Wer einen Schwangerschaftsabbruch plant, ist gesetzlich dazu verpflichtet, ein Beratungsgespräch zu besuchen. Das Neusser Gesundheitsamt wie auch donum vitae bemühen sich um eine schnelle Terminvergabe. In der Regel sind Beratungsgespräche, mit der Dauer von meist einer Stunde, noch in der gleichen Woche möglich, sofern von den Klientinnen erwünscht.

„Wir gehen in unserer Beratung auf die persönlichen Bedürfnisse der Frauen ein. Das machen wir direkt am Anfang deutlich“, berichtet Christa Schwandner von der Neusser Beratungsstelle donum vitae. Auch beim Neusser Gesundheitsamt bemühe man sich um ein vertrauensvolles Gespräch. „Die Beratung soll Verständnis bewirken und gemeinsam mit der Klientin beide Seiten betrachten, sie soll aber auf gar keinen Fall bevormunden“, so Just. In der Beratung können die Frauen über ihre aktuelle Lebenssituation berichten. Aufgrund dessen erfolgt eine individuelle Beratung – sowohl finanziell, psychosozial als auch zu Teilen gesundheitlich.

Im Anschluss erhalten die Klientinnen in jedem Fall eine Beratungsbescheinigung – unabhängig vom Gesprächsverlauf. Keine Frau darf in das Gespräch gedrängt werden – das ist gesetzlich geregelt. „Tatsächlich finden es die Frauen aber eher gut, dass mit ihnen jemand über das Thema spricht. Das ist eine Möglichkeit, die sie dann auch gerne nutzen“, so Schwander. Ebenfalls geregelt ist die anschließende dreitägige Frist, bevor ein Abbruch durchgeführt werden kann. „Wir nennen das tatsächlich ‚Bedenkzeit‘. Diese Bedenkzeit ist auch ganz wichtig für viele Klientinnen“, so Just.

Grundsätzlich ist der Schwangerschaftsabbruch eine Selbstzahlungsleistung. Eine Kostenübernahme seitens des Landes NRW (nicht seitens der Krankenkasse) ist jedoch möglich, wenn das Einkommen der Frau unter 1325 Euro liegt (Stand: Juli 2022). Für Frauen, bei denen bereits ein minderjähriges Kind im Haushalt lebt, liegt die Einkommensgrenze bei 1639 Euro.

Im Beratungsgespräch wird auch grob über die beiden Abbruchsmöglichkeiten aufgeklärt. So ist zum Einen ein medikamentöser Abbruch mit zwei Medikamenten möglich. Während die erste Tablette die Schwangerschaft beendet, löst die zweite die Blutung aus. Mit 300 bis 400 Euro ist die medikamentöse Abtreibung die kostengünstigere Option. Allerdings obliegt sie auch einem Stichtag – die erste Tablette darf nur zum 63. Tag ab dem ersten Tag der letzten Blutung eingenommen werden. Zum anderen besteht die Möglichkeit des operativen Abbruchs. Die Absaugungsmethode mit Vollnarkose kostet etwa 600 bis 800 Euro.

Die konkrete Methode treffen die schwangeren Frauen jedoch dann mit ihrem behandelnden Gynäkologen im Anschluss an das Gespräch. Er berät sie medizinisch. Allerdings: Wie eine Liste der Bundesärztekammer zeigt (die Aufnahme ist freiwillig), gibt es im Rhein-Kreis keinen einzigen Gynäkologen, der einen Schwangerschaftsabbruch durchführt.

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