Neuss Abitur-Prüfungen so streng wie ein Staatsakt

Neuss · 880 Neusser Schüler schreiben derzeit ihre Abi-Klausuren. Dabei sind sie gut abgeschirmt und die Aufgaben wie Staatsgeheimnisse gesichert.

Neuss: Abitur-Prüfungen so streng wie ein Staatsakt
Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Lea Schellhas eilt aus der Schultür, blinzelt in die Sonne, ist glücklich: Die erste von vier Abiturprüfungen ist geschafft. Deutsch-Leistungskurs. Viereinhalb Stunden den Roman "Hiob" von Joseph Roth mit Kafkas "Der Prozess" vergleichen. "Ich habe es mir schwieriger vorgestellt", sagt die 17-jährige Abiturientin vom Quirinus-Gymnasium. "Nur war es anstrengend, sich so lange zu konzentrieren." Ein Schüler im "Abi-Couture"-Pullover hüpft die Stufen runter und ruft: "Auf Lücke gelernt, voll gepunktet! Geile Gedichte!" Auch Justus Hustedt, der sich für das Thema Sprachursprung entschieden hatte, war zufrieden. Nur merkte der 18-Jährige: "Die ganzen Formalitäten drumherum - da wird es einem schon ein bisschen mulmig."

Diese ganzen Formalitäten - das sind Sicherheitsvorschriften, die aus den Abiturprüfungen beinahe einen Staatsakt machen. Pfuschen soll nahezu unmöglich gemacht werden. Das bekommen die gut 880 Abiturienten an den sechs Neusser Gymnasien und den zwei Gesamtschulen mit Abi-Jahrgang auch zu spüren. Für sie beginnt die Klausur mit dem Aufreißen der versiegelten Umschläge. Doch vorher steht ein genau getakteter Vorgang, der nun bis mindestens zum 27. April, dem letzten Tag der schriftlichen Prüfungen, täglich vollzogen wird.

 Endstation Abitur: Die Räume, in denen Klausuren geschrieben werden (oben), sind wie hier im Quirinus-Gymnasium (unten) abgeschirmt. Ein Lehrer beaufsichtigt den Flur und schreibt auf, was dort passiert - und welcher Schüler wie lange zur Toilette verschwindet.

Endstation Abitur: Die Räume, in denen Klausuren geschrieben werden (oben), sind wie hier im Quirinus-Gymnasium (unten) abgeschirmt. Ein Lehrer beaufsichtigt den Flur und schreibt auf, was dort passiert - und welcher Schüler wie lange zur Toilette verschwindet.

Foto: dpa, Woi

Einen Tag vor der Klausur stehen die Aufgaben für die Schulen zum Download bereit. Da dran kommt nur, wer das Passwort und die Links kennt, außerdem sind die Aufgaben verschlüsselt. "Die müssen wir auf einen externen Datenträger herunterladen und auf einen Rechner speichern, der nicht mit dem Internet verbunden ist", erklärt Ulrich Dauben, Leiter des Quirinus-Gymnasiums. Erst dort werden die Aufgaben entschlüsselt, ausgedruckt, in Umschläge verpackt und versiegelt.

In der Janusz-Korczak-Gesamtschule wird für den Druck ein Kopierer vom Netz genommen und anschließend neu konfiguriert - damit der Speicher nicht ausgelesen werden kann. Die Umschläge mit den Aufgaben und der Datenträger werden über Nacht in einen Safe gesperrt. Erst am Morgen im Prüfungsraum bekommen auch die Lehrer sie zu sehen. "Die sind genauso überrascht wie die Schüler", sagt Dauben, der nichts von den Aufgaben weiß, weil auch sein Sohn im Abitur steckt.

In den Prüfungsraum dürfen die Schüler nur Stifte, Getränk und etwas zu essen mitnehmen. Hilfsmittel wie Literatur werden vom Ministerium festgelegt und von der Schule gestellt. Handys, Smartwatches und sonstige elektronischen Geräte dürfen nicht mit in die Räume. "Alle elektronischen programmierbaren Geräte werden eingesammelt", sagt Achim Fischer, Leiter der Janusz-Korczak-Schule. "Wir haben vorher genau geprüft, was es gibt und in den Prüfungen verwendet werden könnte."

In der ersten Stunde sind die Fachlehrer dabei, um Verständnisfragen zu klären. Danach nur noch Aufsichtslehrer. Die gestempelten Klausurbögen und das Konzeptpapier werden von der Schule gestellt. Es wird genau protokolliert, wie viele Blätter jeder Schüler braucht. Und am Ende wird alles abgegeben. Idealerweise mit der besten Lösung. "Das war ganz entspannt", sagt Justus Hustedt. "Wenn das alles richtig war, was ich geschrieben habe."

(NGZ)
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