Neuss Abgas-Debatte: Binnenschiffer wehren sich

Neuss · Rheinschiffe gelten als umweltfreundliche Transportmittel. Die Neuss-Düsseldorfer Häfen halten eine Studie, die den Schadstoffausstoß der Schiffe kritisiert, für nicht nachvollziehbar.

Neuss: Abgas-Debatte: Binnenschiffer wehren sich
Foto: ki-

Die Master-Arbeit von Lennart Korsten an der Universität Duisburg-Essen heizte in den vergangenen Wochen eine Diskussion an. Er schreibt als Ergebnis seiner Arbeit, dass auch bei Verboten von Diesel-Fahrzeugen oder umgerüsteten Autos bis zum Jahr 2030 die Stickoxid-Belastung in den Städten am Rhein zu hoch sei. Grund soll die Binnenschifffahrt sein. Für Ulrich Gross, Geschäftsführer der Neuss-Düsseldorfer Häfen, hat die Master-Arbeit jedoch keine besondere Aussagekraft: "Keine Messungen 50 oder 100 Meter neben dem Rhein ergeben erhöhte Belastungen, für die die Binnenschifffahrt verantwortlich sein soll. Es kursieren immer wieder dubiose Aussagen, deshalb ist auch diese Diskussion für mich absolut nicht nachvollziehbar."

Es sei nicht klar, wie groß die Umweltbelastung durch Binnenschiffe momentan wirklich sei, meint auch Benjamin Friedhoff vom Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme in Duisburg. "Der Schadstoffausstoß der Schiffe ist für uns aber trotzdem kein unbeachtetes Problem. Die Elektromobilität im großen Stil ist zwar noch weit weg, aber wir arbeiten in Projekten an einer Verbesserung des Schadstoffausstoßes", sagt Friedhoff, der ergänzt: "Wir dürfen uns nicht darauf ausruhen, dass wir nach wie vor viel umweltfreundlicher unterwegs sind als zum Beispiel der Güterverkehr auf der Straße. Aber auch wir wollen und müssen die Emissionen weiter nach unten schrauben."

Während die Seeschifffahrt für große Gütermengen nahezu alternativlos ist, steht die Binnenschifffahrt im Wettbewerb mit dem Schienen- und Straßenverkehr. Die geringen Infrastrukturkosten und Emissionen tragen zum Ruf des Binnenschiffs als "sanfter Verkehrsteilnehmer" bei. "Wenn wir auf die Binnenschifffahrt verzichten und über die Straße transportieren würden, wäre die Belastung um das X-fache höher", sagt Ulrich Gross. Die hohe Energieeffizienz spiegelt sich zum Beispiel im Energiebedarf pro Tonnenkilometer wider. Gleichzeitig sind Binnenschiffe extrem langlebig und wertstabil. Das durchschnittliche Alter der deutschen Frachtschiff-Flotte beträgt rund 45 Jahre. Diese Besonderheit wird in einer Lebenszyklusanalyse oder Ökobilanz positiv bewertet, führt jedoch gleichzeitig zu einer geringen Erneuerungsrate der Motoren und damit zu überproportional hohen Emissionen von Stickoxiden und Feinstaub. Die Motoren werden im Laufe eines Schiffslebens zwar erneuert, jedoch allerdings nur alle 15 bis 20 Jahre und damit seltener als im Straßentransport.

Um die Position als umweltfreundlichster Verkehrsträger zu halten, sind für Benjamin Friedhoff erhebliche Anstrengungen möglich. Denn ab Anfang 2019 - ab 300 Kilowatt Leistung ab 2020 - gelten für neu in den Verkehr gebrachte Binnenschiffsmotoren strenge Abgasgrenzwerte nach EU-Vorgabe, die nur mit Partikelfiltern und SCR-Katalysatoren erreicht werden. Bisher seien aber hierfür kaum Motoren auf dem Markt erhältlich. Chancen für mögliche E-Binnenschiffe wurden bereits untersucht. Im Vergleich zu Straßenfahrzeugen sind die Beschränkungen hinsichtlich von Raumbedarf und Masse zwar geringer, jedoch sind bei der Binnenschifffahrt die Anforderungen vor allem beim Energiebedarf erheblich. "Für Reichweite ist immer noch ein Verbrennungsmotor nötig", sagt Benjamin Friedhoff.

Hendrik Gaasterland

(NGZ)
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