Interview mit Ulrike Schanko Ab in den Urlaub

Interview mit Ulrike Schanko · Überall auf den Fluren im Landestheater stehen schon Kisten herum, die Übergabe-Gespräche mit den Nachfolgern sind längst gelaufen. Noch fünf Tage - dann ist die Zeit unter RLT-Intendantin Ulrike Schanko (53) und ihrem Team ein Stück Theatergeschichte. Nach der letzten Vorstellung am kommenden Donnerstag ("Sonntags am Meer", 20 Uhr) gibt es im Kollegenkreis noch eine Abschiedsfeier (einen "großen Bahnhof" wollte Schanko nicht haben). Auch mit jenen, die das Haus längst verlassen haben, aber unter Schanko und ihrer Oberspielleiterin Sylvia Richter mal am RLT engagiert waren.

 Insgesamt hat Ulrike Schanko 17 Jahre lang am RLT gearbeitet.

Insgesamt hat Ulrike Schanko 17 Jahre lang am RLT gearbeitet.

Foto: NGZ

Überall auf den Fluren im Landestheater stehen schon Kisten herum, die Übergabe-Gespräche mit den Nachfolgern sind längst gelaufen. Noch fünf Tage - dann ist die Zeit unter RLT-Intendantin Ulrike Schanko (53) und ihrem Team ein Stück Theatergeschichte. Nach der letzten Vorstellung am kommenden Donnerstag ("Sonntags am Meer", 20 Uhr) gibt es im Kollegenkreis noch eine Abschiedsfeier (einen "großen Bahnhof" wollte Schanko nicht haben). Auch mit jenen, die das Haus längst verlassen haben, aber unter Schanko und ihrer Oberspielleiterin Sylvia Richter mal am RLT engagiert waren.

 Im Bühnenbild der letzten RLT-Produktion unter ihrer Intendanz, „Sonntags am Meer“: Ulrike Schanko verabschiedet sich aus Neuss.

Im Bühnenbild der letzten RLT-Produktion unter ihrer Intendanz, „Sonntags am Meer“: Ulrike Schanko verabschiedet sich aus Neuss.

Foto: A. Woitschützke

Frau Schanko, bei der Verabschiedung im Rahmen der Theaterförderpreis-Verleihung haben Sie das Ende Ihrer Amtszeit als "Endstation Sehnsucht" bezeichnet. Ist es die geworden oder war es die immer?

Ulrike Schanko Halb-halb. Es ist schon so, dass sich nach den 17 Jahren, die ich jetzt insgesamt am RLT war, auf eine gewisse Art ein Kreis schließt. Ich komme ja jeden Tag an der Drususallee vorbei, und seit das alte Theater abgerissen ist und dort ein neues Haus steht, ist für mich etwas zu Ende gegangen - nicht zuletzt auch mit dem Tod von Burkhard Mauer.

Ist da nicht doch vielleicht auch ein bisschen Bitterkeit, weil Sie gerne weitergemacht hätten?

Schanko Ich hätte ganz sicher nicht für fünf Jahre verlängert. Ein oder zwei Jahre hätte ich gerne weitergemacht, weil wir damals, als die Vertragsgespräche anstanden, in den Finanz-Kämpfen steckten und ich das Haus schon gerne in geregelten Zuständen übergeben wollte.

Als Sie das Haus übernommen haben, fingen die Probleme schon an. Sie mussten wegen der Kürzung der Landesmittel gleich mit weniger Geld starten und dann noch mal gegen die Etatkürzung durch die Stadt kämpfen. Es war wohl kaum eine einfache Intendanz.

Schanko Ganz sicher nicht! Natürlich wünscht man sich leichtere Startbedingungen. Aber wir mussten eben ins kalte Wasser springen und hoffen, dass wir uns freischwimmen.

Das hat viel Kraft gekostet, oder?

Schanko Oh ja. Ich arbeite wirklich gerne. Aber es war schon so, dass ich kaum Zeit hatte, Luft zu holen. Selten mal ein Wochenende bei den vielen Stunden, die man unter der Woche schon ranklotzt, wo es mal wirklich Ruhe gab. Ich habe zwar immer versucht, das private Leben von dem im Theater abzuschotten. Aber es gibt ja Telefon, und so kam es trotzdem ständig vor, dass irgendetwas auch in der knappen Freizeit geregelt werden musste.

Wie gut, dass Ihr Mann als Musikdramaturg vom Fach ist ...

Schanko (lacht) Ja, aber gesund ist es auf Dauer nicht, wenn einer immer weg ist.

Sie haben in Ihrer Ansprache bei der Preis-Verleihung auch anklingen lassen, dass Sie sich mehr Unterstützung gewünscht hätten, als es darum ging, gegen die Kürzungspläne der Stadt anzugehen. Ist da ein negatives Gefühl zurückgeblieben?

Schanko Was ich gemeint habe, war, dass zum Beispiel der Förderverein früher von sich aus nach draußen geht und für das Theater in die Bresche springt. Ich hatte das Gefühl, dass wir vom Theater die Anderen anfangs zum Jagen tragen mussten.

Mit Sparmaßnahmen mussten sich alle Kulturinstitute auseinandersetzen - die einen mehr, die anderen weniger. Hat das das Verhältnis unter den Institutsleitern verändert?

Schanko Man kann da nicht unterscheiden zwischen weniger Betroffenen und mehr Betroffenen. Sicher aber zwischen den Weisungsgebundenen und den anderen. Wir oder auch das Theater am Schlachthof sind keine städtischen Häuser, konnten uns also an die Öffentlichkeit wenden, auch wenn das im Rathaus nicht gern gesehen war.

Sie haben das RLT insgesamt über 17 Jahre in verantwortlichen Positionen gestaltet. Haben Sie das Gefühl, dass Sie die Stadt prägen konnten?

Schanko Ich glaube, dass das Publikum mit dem Theater mitgewachsen ist und auch mit den unterschiedlichen Stilen von Burkhard Mauer und von mir klarkam. Am deutlichsten hat sich das gezeigt, als wir gegen die Sparmaßnahmen der Stadt kämpften. Wie die Menschen uns damals getragen und unterstützt haben - das war eine der tollsten Erfahrungen für mich. Das hat mich sehr berührt. Auch unsere Besuchersteigerung in Neuss, 12,8 Prozent in 2008, zeigt, welche Verankerung in der Stadt das RLT erlebt hat.

Sie sprachen gerade von unterschiedlichen Stilen. Können Sie das näher beschreiben?

Schanko Unter Mauer ist das Programm mehr in Richtung Ausgrabungen gegangen, bei mir ging es eher hin zu neuen Stücken.

Und im Führungsstil?

Schanko (lacht) Es war anfangs mein Problem, dass viele gedacht haben: Ach, sie war schon unter Mauer da, das geht jetzt alles so weiter. Aber wir sind ganz unterschiedliche Menschen, und deswegen sind wir mit diesem Betrieb auch unterschiedlich umgegangen. Durch die zwölf Jahre Dramaturgie war ich ganz anders mit den Mitarbeitern verbunden, auch deswegen hat sich zwangsläufig eine Art des Umgangs ergeben.

Sie sind eher teamorientiert?

Schanko Ja, absolut. Ich bin ein Teamspieler. Ich brauche Leute. Ich brauche es, mich mit anderen an einen Tisch setzen zu können und gemeinsam Ideen zu entwickeln und darüber zu reden.

In Ihrer Zeit als Intendantin haben Sie 57 Premieren auf dem Spielplan gehabt. Gibt es eine, die Ihnen besonders eindrücklich in Erinnerung ist?

Schanko Das ist wirklich schwer zu sagen. Mir fallen da verschiedene ein, aber auch aus verschiedenen Gründen. Ich hänge immer noch an der Eröffnungspremiere mit "Leonce und Lena" zu Beginn meiner Intendanz, weil ich auch finde, dass Sylvia Richter tolle Ideen hatte, das Stück heute zu erzählen. Aber mir fällt auch "Ein Käfig voller Narren" ein, bei dem wir uns von dem Regisseur getrennt haben, weil das Ergebnis in die falsche Richtung lief, und was dann ein totaler Publikumsrenner wurde. Oder "Die Zofen", die - weil ungeplant und nicht im Abo - ohne Druck in einem wunderbaren Freiraum entstehen konnten. Und neben vielen jetzt nicht genannten zuletzt natürlich "Crayfish". Das war für unser Haus mit den vielen Externen eine für alle Seiten total ungewöhnliche Arbeit. Ich habe noch in den Endproben gedacht: Das klappt nie, dass die alle gemeinsam pünktlich auf der Bühne stehen. Da musste ich doch ein bisschen auf den Tisch hauen.

Gibt es Dinge, von denen Sie sagen, dass Sie die heute nicht wieder machen würden?

Schanko (überlegt) An Produktionen eher nicht. Aber im Alltag würde ich mir heute mehr Ruhe gönnen - im Sinne von mehr Gelassenheit. Einmal durchatmen und dann etwas unternehmen, das ist manchmal einfach besser.

Aber Produktionen, die in Ihrer Intendanz danebengegangen sind, gibt es für Sie nicht?

Schanko Natürlich waren - aus unterschiedlichen Gründen - nicht alle gut. Es gab bessere und schlechtere, das ist normal. Es gibt eine aus der aktuellen Spielzeit, über die ich mich geärgert habe. Das ist "Torquato Tasso". Das ist nicht den Schauspielern anzulasten, vielmehr ist in meinen Augen der konzeptionelle Ansatz zu kurz gedacht - die Eins-zu-eins-Übertragung auf "Deutschland sucht den Superstar" in einer Zeit, in der viele Theater ums Überleben kämpfen. Das Thema fand ich verschenkt, aber leider ist mir das zu spät klar geworden. Ich bin in den Produktionen immer frühzeitig dabei gewesen - auch in diesem Fall. Aber irgendwie habe ich die Konzeptidee anders interpretiert: Ich bin davon ausgegangen, DSDS sei eine Folie im Hinterkopf und kein Korsett zum Einzwängen des Stücks.

Gibt es Stücke, die Sie noch gerne gemacht hätten?

Schanko Wir hätten natürlich auch jetzt wieder einen neuen Spielplan aufstellen können, denn gute Theaterstücke gibt es genügend. Aber gerade auch in dieser letzten Spielzeit haben wir noch heiße Favoriten und Wunschstücke umgesetzt.

Sie haben gelegentlich auch auf der Bühne gestanden.

Schanko Ja, das stimmt. Immerhin 13 Mal in den 17 Jahren. Und eigentlich immer gern, ob als Engelchen im "Liebeskonzil" oder als Räubermutter Undis in "Ronja Räubertochter", wo ich aufgrund einer Erkrankung eingesprungen bin.

Haben Sie mal daran gedacht, Schauspielerin zu werden?

Schanko Ja, aber die Idee kam schlicht zu spät, denn ich war schon mitten im Studium und hätte mit der damaligen drei- bis vierjährigen Ausbildung neu anfangen müssen. Das wollte ich nicht.

Was werden Sie künftig machen?

Schanko (lacht) Urlaub!

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