Neuss 30 Jahre Methadon - was hat's gebracht?

Neuss · 1988 startete das erste Methadon-Modellprojekt in NRW. Norbert Bläsing, Leiter der Drogenberatungsstelle Neuss, war fast von Anfang an mit dabei. Seine Bilanz fällt jedoch ernüchternd aus. Warum ist das so?

 Norbert Bläsing wurde in Mönchengladbach ausgebildet.

Norbert Bläsing wurde in Mönchengladbach ausgebildet.

Foto: Hogekamp

Die Idee stammt aus den USA: Dort wurde bereits in den 1960er Jahren das Opiat Methadon als Ersatzdroge an Heroinabhängige verabreicht. Erst im März 1988 - also vor genau 30 Jahren - startete das erste Methadon-Modellprojekt in NRW. Bereits 1993 wurde die Substitutionstherapie flächendeckend eingeführt. Fast genauso lange ist Norbert Bläsing, Leiter der Drogenberatungsstelle Neuss, in der Suchttherapie tätig.

Neuss: 30 Jahre Methadon - was hat's gebracht?
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Als Bläsing 1990 seine Ausbildung in Mönchengladbach absolvierte, bekam er bereits einiges mit von dem NRW-Methadon-Erprobungsvorhaben, das fünf Jahre lang in einigen Städten - darunter Bochum, Düsseldorf und Essen - wissenschaftlich begleitet wurde. "Auslöser für das Projekt war damals auch die öffentliche Wahrnehmung des Zusammenhangs von HIV und Drogenkonsum", erinnert sich der Diplom-Sozialpädagoge und Suchttherapeut.

Denn Drogensüchtige teilen sich häufig die Nadeln, wodurch Krankheiten wie Aids oder Hepatitis übertragen werden können. "Die Überlegung war, wenn man die Leute von der Nadel bekäme, könnte auch ein Aids-Infektionsweg gestoppt werden." Denn Methadon wird geschluckt, nicht gespritzt. Das Opiat hat zudem eine weniger euphorisierende Wirkung als andere Opioide, ist aber ebenso stark süchtig machend. "Methadon ist deutlich sättigender", so Bläsing. Es unterdrücke die bereits nach wenigen Stunden einsetzenden Entzugserscheinungen Schwerst-Heroinabhängiger länger. "Heroin hat eine Halbwertzeit von etwa vier bis sechs Stunden", erklärt Bläsing. "Das bedeutet, dass drei- bis fünfmal am Tag ein neuer Schuss gebraucht wird, weil der Pegel sinkt." Etwa 3000 bis 4000 Euro pro Monat benötigt ein Abhängiger allein, um seine Droge zu finanzieren. Beschaffungskriminalität, desolater Gesundheitszustand, Prostitution und stetig wachsender Drogenmissbrauch sind die Folge.

Methadon dagegen habe eine Verweildauer von 24 bis 36 Stunden, so Bläsing. Das Gefühl des "High"-Seins gebe es durch Methadon jedoch nicht. Aber auch Heroin verursache nur in der ersten Zeit den "klassischen Kick". "Nach längerem Konsum hat den kein Süchtiger mehr", weiß Bläsing. Da gehe es dann nur noch darum, die Entzugserscheinungen zu verhindern und sich einen "neuen Druck zu setzen".

30 Jahre nach dem Methadon-Modellprojekt zieht der Leiter der Neusser Drogenberatungsstelle eine ernüchternde Bilanz: "Früher hatte man gehofft, dass Abhängige nach zwei bis fünf Jahren Substitution runter dosiert werden können. Doch das hat nicht funktioniert." Manche Süchtige würden seit Jahren substituiert, andere seien längst gestorben. Ebenso wenig hätten sich die hohen Erwartungen, dass die meisten Substituierten zu stabilisieren seien und mit klarem Kopf ihren Alltag mit Beruf und Familie bestreiten könnten, nicht erfüllt.

"Es gibt solche Substituierte", so der Experte. Aber eben auch viele andere, die zudem Cannabis, Alkohol, Medikamente oder andere Drogen konsumieren. Dieser Beikonsum sei sehr problematisch. Norbert Bläsing: "Ich habe Sorge, ob und wie sehr das von niedergelassenen Ärzten in der Substitutionstherapie wahrgenommen wird."

Neben Methadon gibt es inzwischen auch andere Präparate, die von Ärzten eingesetzt werden. Manche Abhängige dürfen ihre Ration im Rahmen der sogenannten Take-Home-Verordnung mit nach Hause nehmen. Bläsing: "Die Entscheidung darüber liegt bei den Ärzten."

(BroerB)
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