Neuss 17. Inselfestival mit Mammutprogramm

Neuss · Mit elf Konzerten und einer Lesung hatte das Inselfestival Hombroich einiges zu bieten. Der Besucherzuspruch war allerdings unterschiedlich und blieb zunächst hinter den Erwartungen zurück. Gelungen war das Festival trotzdem.

 Das Trio Accanto bot eine Komposition von Rolf Riehm (2.v.r.) dar, der zum Schluss auf die Bühne kam.

Das Trio Accanto bot eine Komposition von Rolf Riehm (2.v.r.) dar, der zum Schluss auf die Bühne kam.

Foto: SANDY CRAUS

Das 17. Inselfestival des Vereins "zur Förderung des Kunst- und Kulturraumes Hombroich" mit seinem Mammutprogramm von elf Konzerten und - erstmals - einer Lesung an fünf Tagen stellte die Veranstalter vor neue Herausforderungen. Vor allem die ersten beiden Tage sahen bei weitem nicht die erwarteten Besucher. Weil der Verein nach fast jedem Konzert zu vertiefenden Gesprächen bei meist opulentem Dinner einlädt, kann das zu ungeahnten Problemen führen. "Sie müssen tüchtig essen, weil mir persönlich sind zu wenige Zuhörer da", sagte Rainer Wiertz, der gemeinsam mit dem Komponisten Georg Kröll für die Veranstaltungsplanung zuständig war, am ersten Abend.

 Inmitten des "Parlaments" von Museumskünstler Anatol spielte das Fukio Saxophonquartett. Dieser Auftritt war Teil der Klangwanderung.

Inmitten des "Parlaments" von Museumskünstler Anatol spielte das Fukio Saxophonquartett. Dieser Auftritt war Teil der Klangwanderung.

Foto: SANDY CRAUS

Andererseits hatte das erste Konzert in der Veranstaltungshalle der Raketenstation bei nur 17 Anmeldungen dann doch über 100 Besucher, und auch die "Klangwanderung" übertraf alle Erwartungen. Während das alle zwei Jahre stattfindende Festival sich längst in der zeitgenössischen Musikszene Europas einen exzellenten Ruf erworben hat, bot der Eröffnungsabend in der Scheune der Museumsinsel eher Klassisches und Folklore. "Wir lieben es, die Moderne mit ihren Wurzeln in der Klassik zu pflegen", sagt dazu Peter Gloystein, der Vorsitzende des Vereins. Bearbeitungen schottischer, irischer und walisischer Volkslieder für Tenor und Klaviertrio von Ludwig van Beethoven standen als Allererstes auf dem Programm. Nun war es für die Zuhörer pure Lust, Unentdecktes aus dem Repertoire eines Genies zur hören, von dem man glaubte, alles zu kennen.

Weiterer Hochgenuss, weil Hombroich wieder einmal die erste Garde europäischer Künstler nach Neuss geholt hatte. Mit Emmy Storms (Violine), Pepijn Meeuws (Violoncello) und Simon Lepper, Professor für Klavier am Londoner Royal College of Music, war ein wunderbares Trio geschaffen. Die Überraschung aber war der schottische Tenor Nicky Spence, mächtig opernerfahren und mit beachtlicher Tiefe, der mit den Instrumentalisten eine wahre Kollektion traditioneller britischer Folksongs in Bearbeitungen renommierter Komponisten bot.

Überwiegend aber schwelgte das Festival in Zeitgenössischem, gelegentlich grenzwertig Experimentellem. Gleich zweimal trat in der Veranstaltungshalle der Raketenstation das Freiburger "ensemble recherche" auf, das seit seiner Gründung 1985 die zeitgenössische Musik entscheidend mitgestaltet. Es hatte den dänischen Komponisten und Musikfunktionär Allan Gravgaard Madsen (34) gebeten, eine "Ouvertüre" zu schreiben. Das Ergebnis ist trotz des vor allem rhythmisch vollendeten Zusammenspiels über lange zehn Minuten karg. Dem anwesenden Komponisten aber hat es gefallen.

Eine vortreffliche Idee der Veranstalter war, die inzwischen traditionelle "Klangwanderung" auf die Museumsinsel zu verlegen. Das "Fukio Saxophonquartett" begann beim grünen Pavillon am Rosa Haus mit einem spanischen Lied von Isaac Albéniz. Bald schlossen sich "normale" Inselbesucher der Klangwanderung an. Die Masse der Wanderer störte dabei keineswegs die mitreißende Atmosphäre mit zumeist tänzerischen Klängen unter gewaltigen Bäumen oder im "Parlament" des Museumskünstlers Anatol.

Ein außergewöhnliches Konzert gab das "Minguet Quartett" in der großen Ausstellungshalle der Langen Foundation auf der Raketenstation. Mit faszinierenden Komponisten aus Georgien, Armenien und Aserbaidschan wurde es dem Anspruch des Festivals, "Musik von den Rändern Europas" vorzustellen, besonders gerecht. Gleichwohl integrierte in diese archaische oder auch - bei Tigran Mansurian (79) - sakrale Musik das Streichquartett c-Moll (op. 51,1) von Johannes Brahms in emotional hochspannender und vollendeter Ausführung vollkommen. Dass quasi als Illustration farbenfrohe koreanische Betttücher aus der aktuellen Ausstellung der Langen Foundation die Musik kommentierten, war ein hoch eingeschätzter zusätzlicher Reiz.

(NGZ)
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