Neuss 100 Jahre alt und kein bisschen müde

Neuss · Die Neusser Malerin Helma Krüll-Holthausen war Studentin von Max Clarenbach und feiert heute ihren 100. Geburtstag. Das Malen steht immer noch im Zentrum ihres Alltags.

 Das Malen musste sie von draußen nach drinnen verlegen, aber ein Leben ohne die eigene Kunst kann Helma Krüll-Holthausen sich nicht vorstellen.

Das Malen musste sie von draußen nach drinnen verlegen, aber ein Leben ohne die eigene Kunst kann Helma Krüll-Holthausen sich nicht vorstellen.

Foto: ati

Max Clarenbach ist immer da. Das Gedächtnis von Helma Krüll-Holthausen ist auf den Tag genau 100 Jahre alt, aber wenn sie in ihren Erinnerungen kramt, hört es sich an, als ob sie von gestern erzählt. Die vielen Fotos von ihrem einstigen Lehrer mögen Gedankenstütze sein, aber die Anekdoten über den Landschaftsmaler, dessen Studentin an der Kunstakademie Düsseldorf sie einst war, purzeln förmlich aus ihr heraus. Bis heute fühlt sie sich ihm verbunden - aber lebt ganz gewiss nicht im Gestern.

Clarenbachs unbedingter Wille zum Malen hat sich ebenso auf die Neusserin übertragen wie seine große Liebe zur Landschaft. "Ständig waren wir draußen", sagt die 100-Jährige lachend, und wenn ihre Knie noch so wollten, wie sie, säße sie auch jetzt noch draußen mit Pinsel und Farbe vor einer Staffelei. "Einmal Maler, immer Maler", sagt sie trocken und weist auf die zahlreichen Bilder, die sie allein in den vergangenen Monaten gemalt hat.

Im Sommer 2015 ging das noch so, wie sie es am liebsten hat - in der freien Natur und später dann im Atelier in der ersten Etage ihres Hauses. Nun musste sie der Kniee wegen ihr Leben ins Erdgeschoss verlagern. Aber findig, wie Helma Krüll-Holthausen ist, machte sie aus einem Buchgestell eine kleine Staffelei, postierte diese auf ihrem Schreibtisch und schuf in der Schublade Platz für die Farbtuben. Auch wenn die Mini-Staffelei leer ist - die Becher mit den vielen Pinseln zeugen von der Wandlung vom Schreib- zum Maltisch.

Kleine, selbst gefertigte Paletten liegen überall herum, denn immer noch mischt sich Helma Krüll-Holthausen die Farben für ihre Gemälde selbst. Nur das Format hat sie beschränkt: auf 60 mal 80 Zentimeter. "Größer geht es hier nicht", sagt sie mit einem kleinen Seufzer. Dafür hat sie ihre vielen CDs - in den Regalen schön alphabetisch geordnet und zumeist mit klassischer Musik - in greifbarer Nähe. Und die technische Entwicklung weiß sie sehr wohl zu schätzen: "Eine CD braucht man nicht mehr umzudrehen", sagt sie verschmitzt.

Ebenso unverwüstlich wie ihr Wille zum Malen ist ihr Sinn für Humor. "Wenn man anfängt zu fummeln, wird das mit dem Bild nichts mehr", sagt sie etwa, wenn es um den richtigen Zeitpunkt geht, wann ein Gemälde fertig ist. Meistens weiß sie genau, wenn ein Bild abgeschlossen ist. Nur ganz gelegentlich, so erzählt sie lachend, arbeitet sie mal ein bisschen nach.

Auf ihre vier Wände ist die Künstlerin allerdings nicht angewiesen. "Ich brauche das Draußen", sagt sie und ist froh, dass sie gute Freunde hat, "die mit mir Touren machen". Skizzenblock und Stift sind natürlich immer dabei. Und ihr Blick scheint so scharf wie eh und je zu sein. Mit feinstem Strich entstehen kleinteilige Häuserreihen oder Landschaften. Das geht sogar ohne Brille: "Die brauche ich nur zum Lesen", sagt sie und wirbelt sie zwischen den Fingern herum.

Mit 18 Jahren hat sie ihr Studium bei Clarenbach begonnen und auch nie mit dem Malen aufgehört. "Er war ein wunderbarer Lehrer", erzählt sie, "nicht so abgehoben und hat immer mit uns draußen gestanden." Dass auch sie diesen besonderen Blick gerade für die niederrheinischen Landschaften hat, ist allemal Clarenbach zu verdanken. 1936/37 gehörte sie mit anderen Studenten zur Sommerakademie, die Clarenbach in Kalkar leitete - seitdem ist der Kontakt zu der Stadt nie abgerissen. Natürlich gibt es in der Sammlung ihrer Neusser Heimatstadt Bilder von ihr, aber dem Museum in Kalkar hat sie etliche Skizzenbücher - auch mit den auf ihren vielen Reisen entstandenen Zeichnungen - geschenkt. Und so erfüllt es sie mit besonderer Freude, dass das Museum Kalkar ihr Gemälde vom dortigen Wahrzeichen Taubenturm als Motiv für eine Glückwunschkarte gewählt hat.

(hbm)
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