Vortrag in Neukirchen-Vluyn Der lange Weg zum Frauen-Wahlrecht

NEUKIRCHEN-VLUYN · Kinder, Küche, Kirche – das war Frauen nicht genug. Ihrem Ringen um Gleichberechtigung widmete Krista Horbrügger einen großen Vortrag.

 Demo Anno 1906: Die Damen gingen damals in Berlin und weiteren deutschen Städten auf die Straße, weil sie – endlich, endlich – das Frauenwahlrecht forderten.

Demo Anno 1906: Die Damen gingen damals in Berlin und weiteren deutschen Städten auf die Straße, weil sie – endlich, endlich – das Frauenwahlrecht forderten.

Foto: Deutscher Bundestag

100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland und 70 Jahre Gleichberechtigungsartikel im Grundgesetz. Damit feiert die Bundesrepublik in diesem Jahr gleich zwei wichtige demokratische Jubiläen. Doch deren Entstehung war alles andere als einfach. Welche Hürden dazu überwunden werden mussten, war Inhalt eines überaus interessanten Vortrags von Krista Horbrügger, zu dem das Museum Neukirchen-Vluyn am Dienstagabend in seine Räume im Obergeschoss der örtlichen Kulturhalle eingeladen hatte.

Knapp zwei Stunden ließ die Neukirchen-Vluyner Pädagogin und Geschichtsforscherin dabei vor ihrem rund 20-köpfigen, überwiegend weiblichen Zuhörern eine Reihe mutiger Frauen Revue passieren, ohne deren Einsatz diese beiden Jubiläen heute nicht möglich gewesen wären. Den Anfang machte sie in diesem Fall zunächst mit einer Französin. „Die Frau ist frei geboren. Wer das Schaffot besteigen darf, darf auch aufs Rednerpult“, hatte schon 1791 die Schriftstellerin Olympe de Gouges öffentlich gefordert und war dafür hingerichtet worden. Selbst gut 120 Jahre später waren solche Forderungen noch gefährlich.

Auch in Deutschland. So wurde hier den Frauen noch 1914 unter Androhung von schweren Gefängnisstrafen die Teilnahme an Veranstaltungen des damaligen Internationalen Frauentags verboten. Und wählen durften sie natürlich auch nicht. Das änderte sich jedoch schon fünf Jahre später nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg mit der Gründung der Weimarer Republik. Hier durften die Frauen erstmals politisch mit abstimmen und stellten damals immerhin 300 Kandidatinnen für die neu zu wählende Nationalversammlung, von denen allerdings nur 37 Erfolg hatten.

 Krista Horbrügger ergänzte ihren Vortrag durch zahlreiche Film- und Tondokumente, die eigespielt wurden.

Krista Horbrügger ergänzte ihren Vortrag durch zahlreiche Film- und Tondokumente, die eigespielt wurden.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Eine von ihnen war die in Brandenburg geborene sozialdemokratische Fabrikarbeiterin Marie Juchacz. Sie durfte sogar als erste Frau in einem deutschen Parlament eine Rede halten, musste dann aber später unter den Nationalsozialisten ins Ausland fliehen. „Für die Nazis waren Frauen damals nichts weiter als Produzentinnen einer arisch reinen Zukunftsgeneration, auf keinen Fall aber politisch denkende Wesen. Das und der anschließende Krieg hat die Frauenbewegung um viele Jahre zurückgeworfen, und zeigte auch 1948 bei der Gründung des Parlamentarischen Rates noch ihre Auswirkungen“, bedauerte Frau Horbrügger.

So sei es damals nur der mutigen Intervention der Kasseler Rechtsanwältin Elisabeth Selbert zu verdanken gewesen, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau ohne Einschränkungen in den Artikel drei unseres Grundgesetzes aufgenommen worden sei. Dennoch sollte es anschließend noch bis 1977 dauern, dass das Bürgerliche Gesetzbuch auch das Verfügungsrecht des Ehemannes über das Vermögen seiner Frau, sowie seine Entscheidungsgewalt über ihre Geschäftsfähigkeit, ihre Berufstätigkeit und die Erziehung ihrer gemeinsamen Kinder änderte.

Der durch viele Ton-, Film- und Bildaufnahmen angereicherte Vortrag war sowohl sachlich informativ als auch kurzweilig, leugnete dabei aber nicht das persönliche Engagement der Referentin für ihr Thema. „Ich fand es immer schon ungerecht, dass Hausfrauenarbeit, nur weil sie unbezahlt ist, nie irgendwelche Beachtung bei der Berechnung des bundesdeutschen Bruttosozialproduktes gefunden hat“, kritisierte Krista Horbrügger zum Schluss.

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