Niederrheinischer EU-Abgeordneter zum Terror "Sie hatten alle die Sturmmaske auf"

Moers · Der niederrheinische Europaabgeordnete Karl-Heinz Florenz hat am Dienstag den Ausnahmezustand in Brüssel erlebt. Er sei eigentlich kein ängstlicher Mensch. Doch an diesem Tag sei ihm der Ernst der Lage wirklich in die Seele gedrungen.

 Einsatzkräfte der belgischen Polizei-Spezialkräfte mit Sturmmaske.

Einsatzkräfte der belgischen Polizei-Spezialkräfte mit Sturmmaske.

Foto: dpa, cpt bm

Er hat seit 1989 schon so manches in Brüssel erlebt, Evakuierungen von Gebäuden wegen Bombendrohungen und ähnliches. Doch die gestrigen Ereignisse in der belgischen Hauptstadt - Terroranschläge mit Opfern, deren Zahl von Stunde zu Stunde immer höher beziffert wurde - haben Karl-Heinz Florenz zugesetzt. Seinen Mitarbeitern und ihm selber ist freilich nichts passiert - was durchaus nicht selbstverständlich war. "Der Metroschacht, in dem die Bombe explodiert ist, befindet sich kaum 150 Meter von dem Abgeordnetengebäude entfernt", berichtete der Europaabgeordnete für die Region Niederrhein am Dienstag telefonisch der RP aus seinem Brüsseler Büro. Das war am späten Nachmittag, als die Öffentlichkeit das ganze Ausmaß der Anschläge zu begreifen begann.

"Morgens früh habe ich von den Explosionen durch einen flämischen Nachrichtensender erfahren", schildert Florenz seine Erlebnisse. "Sofort habe ich auf das ZDF-Morgenmagazin umgeschaltet." Als er sich aufmachte, mit dem Auto rasch ins Büro zu fahren, sah er eine große Zahl von Militärfahrzeugen mit Blaulicht die Straße hinunterfahren - in der Nähe befindet sich eine Kaserne. "Die Soldaten hatten alle die Sturmmaske auf." Er sei eigentlich kein ängstlicher Mensch, sagt Florenz, doch da sei ihm der Ernst der Lage wirklich in die Seele gedrungen.

An der Rue Wiertz, wo sich das Europäische Parlamentsgebäude in Brüssel befindet, hatten rasch Sicherheitskräfte Position bezogen. "Wir können die Patrouillen hier vom Fenster aus sehen", so Florenz am Telefon. Man habe die Personen in den Büros dazu angehalten, möglichst nicht das Gebäude zu verlassen. 15 Stockwerke hat das Haus mit den Abgeordnetenbüros, Florenz und seine Mitarbeiter Ingrid Neger, Julia Philipp und Christoph Abt sind in der 14. Etage untergebracht. "3000 bis 4000 Personen" seien üblicherweise im Gebäude, schätzt der CDU-Politiker.

Natürlich werfen solche Ereignisse alle Terminpläne über den Haufen. "Heute sollte noch eine größere Veranstaltung vor dem nationalen Parlament stattfinden", sagt der Europaabgeordnete. Doch man höre bereits, dass wichtige Teilnehmer nicht hätten in Brüssel landen können. Nicht nur der Flughafen sei derzeit lahmgelegt, "auch das Autobahnkreuz in der Nähe ist bereits gesperrt". Die Stadt verlassen könne man im Moment höchstens über die Landstraßen.

 Der niederrheinische Europaabgeordnete Karl-Heinz Florenz war in Brüssel, als die Bomben hochgingen.

Der niederrheinische Europaabgeordnete Karl-Heinz Florenz war in Brüssel, als die Bomben hochgingen.

Foto: Dieker, Klaus (kdi)

Doch die Metropole Brüssel nun zu verlassen, das habe er ohnehin nicht vor, versichert der Neukirchen-Vluyner, es sei denn, der ganze parlamentarische Betrieb käme zum Erliegen und es gebe nichts Konstruktives zu tun. Ursprünglich sei geplant, dass er bis Ende der Woche in der belgischen Hauptstadt bleibe. Für die Tage danach habe er sich eigentlich auf einen Urlaub mit der Familie gefreut. Doch nun heißt es erst einmal abzuwarten, wie sich die Lage entwickelt. In diesen Stunden im gemütlichen Lehnstuhl auf seinem Gut bei Neukirchen-Vluyn zu sitzen, sagt er, sei wohl kaum angemessen.

Angesichts solcher grausamer Ereignisse, die scheinbar immer häufiger die Nationen im Westen aufschrecken, gehen vielen Menschen Gedanken durch den Kopf: Warum tun Menschen so etwas? Wie kann man es verhindern? Wohin soll das alles führen?

 Leere in den Straßencafés - Brüssel und Belgien stehen unter Schock.

Leere in den Straßencafés - Brüssel und Belgien stehen unter Schock.

Foto: ""

"Wir müssen die Demokratie verteidigen", sagt Karl-Heinz Florenz. Und er denkt laut nach: "Warum haben wir diesen Terror in der Welt?" Für ihn ist die Ursache ein globales Missverhältnis zwischen jenen, die haben und jenen, die nicht haben. Soziale Konflikte gebären radikale politisch-religiöse Bewegungen. "Wenn wir im Westen im Wohlstand leben und der Rest der Welt zugleich verarmt - das ist etwas, worüber wir reden müssen", meint er.

 Ein Polizist bewacht eine Absperrung nahe des Europaparlamentes.

Ein Polizist bewacht eine Absperrung nahe des Europaparlamentes.

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Karl-Heinz Florenz, Jahrgang 1947, ist seit 1989 Mitglied des Europäischen Parlamentes. Der CDU-Politiker gehört zur Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), in der sich die Vertreter der christdemokratisch-bürgerlichen Parteien der EU-Mitgliedsstaaten vereint haben. Neben seiner Tätigkeit in der Politik ist Florenz Landwirt auf seinem Hof Groß-Opholt bei Neukirchen-Vluyn. Er vertritt im Europäischen Parlament als Abgeordneter die gesamte Region Niederrhein.

(s-g)
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