„Saxophonic“ in Neukirchen-Vluyn „Reich der Saxen“ trotzt der Pandemie

NEUKIRCHEN-VLUYN · „Saxophonic“ auf Neukirchen-Vluyner Stadtgebiet gilt als Eldorado für Fans des Holzblasinstruments. Auch in Zeiten von Corona geben Reiner Maria Diehl und sein Team ihre Liebe zum Instrument weiter.

 Saxophon-Könner Jonas Röser aus Essen bei einem Workshop in Neukirchen-Vluyn.

Saxophon-Könner Jonas Röser aus Essen bei einem Workshop in Neukirchen-Vluyn.

Foto: Felix Burandt

Ein bisschen ländlich liegt in Neukirchen-Vluyn, an der Krefelder Straße, die kleine, aber feine Werkstatt von Reiner Maria Diehl. Der 51-Jährige ist in der Welt der Saxophone zu Hause. Er repariert die Instrumente mit dem runden, manchmal auch leicht heiseren Sound, der es bis in die hohen Lagen schafft. Das Saxophon gilt mit seiner charismatischen Klangfarbe als das variantenreiche Soloinstrument in der Jazzszene.

Reiner Maria Diehl konzentriert sich mit seinem Team auf Beratung, Reparatur und Verkauf. „Unser Konzept ‚Finde dein Saxophon‘ kommt zwar schlicht daher. Aber das Saxophon muss zum Spielenden passen. Es sucht sich den Spieler aus“, so beschreibt der Experte den Erstkontakt zwischen Kunden und Instrument mit den tiefen Lagen. „Das Saxophon inspiriert mit einer leidenschaftlichen Tiefe die menschliche Seele und dient gleichzeitig als Katalysator der Stimmung.“

 König und Königin im „Reich der Saxen“: Firmeninhaber Reiner Maria und seine Frau Marion Diehl.

König und Königin im „Reich der Saxen“: Firmeninhaber Reiner Maria und seine Frau Marion Diehl.

Foto: Felix Burandt

Dass Diehl damit den richtigen Ton bei seiner Kundschaft findet, belegen seine internationalen Kundenkontakte. Diehl ist die Adresse, wenn es beispielsweise um die legendären historischen Selmer-Saxophone geht. „Sie gelten für den passionierten Saxophonspieler als der Porsche“, schwärmt Diehl. Selmer-Vintage bestechen als Meisterstücke der französischen Saxophonbaukunst. Sie stellen durchaus eine Wertanlage dar und beginnen preislich im hohen vierstelligen Euro-Bereich.

Der Franzose Henri Selmer platzte als passionierter Saxophonbauer genau in die wilden 1920er Jahre, die den Triumphzug des Jazz einläuteten. Zur Marke Selmer gehören neben dem Saxophon Klarinette und Trompete. Selmer-Instrumente wurden von Jazzmusikern wie John Coltrane, Benny Goodman oder Louis Amstrong bevorzugt gespielt. Selmer erwarb 1928 die Rechte an der Firma des Saxophonerfinders Adolphe Sax (1814 bis 1894). Die Jahre 1840/41 gelten als die Geburtsstunde der Gießkanne, wie das ungewohnte Instrument damals spöttisch bezeichnet wurde.

Für Reiner Maria Diehl startete das Jahr extrem gut. „Wir haben wirklich Arbeit genug in unserer Werkstatt.“ Auch Termine für Veranstaltungen hatte seine Frau Marion festgemacht. Mit Verhängung des Lockdowns galt es, Kreativität an den Tag zu legen. „An dem 20. April starteten wir mit individuellen Terminabsprachen. Kontakte nach Vereinbarung haben auch etwas Gutes. Wir können uns voll und ganz auf einen Kunden konzentrieren und haben entspannt mehr Zeit füreinander“, so Diehl.

Er tüftelte passgenaue Hygienekonzepte aus, wenn es um das sogenannte Schnuppersaxen und ein erste Saxerlebnis geht. Der Kunde nutzt dazu mit seinem „Spielpartner“, wie Diehl das Saxophon nennt, einen der separierten Anspielräume. Nach Rücksprache und Beratung mit einem erfahrenen Virologen kommen die bespielten Instrumente dann für einige Tage in Quarantäne. Für die Anspielräume gilt das strenge Hygienekonzept.

Positiv sind die Erfahrungen beim Zusammenspiel in virtueller Version. Das erste gemeinsame Musikstück – als Video-Clip-Performance geschnitten – schweißte die große Saxophonic-Familie mit rund 50 Teilnehmenden zusammen und wurde zig Mal geklickt.

Die Online-Variante ist Diehl und seiner Crew eine Herzensangelegenheit, die er weiter ausbauen will. Noah Fischer, Gerd Rieger, Alexander Rehm, Matthias Keidel oder Frank Oberscheuten boten bereits Workshops. In Planung sind mit dem Essener Altsaxophonisten und Dozenten Jonas Röser (38) zweieinhalb online-Stunden im Kollektiv. „Jeder ist gefordert. Das Projekt ist nicht steuerbar, sondern wird von allen von zuhause aus gestaltet, bis es klappt“, so Röser, der vielfältige Erfahrung mit dem Medium gesammelt hat. „Es bleibt, was es ist. Ein Workshop mit offenem Austausch, nur in anderer Form und daher sehr spannend“, so Röser.

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