Neukirchen-Vluyn Radwerkstatt im ehemaligen Pfarrhaus

Neukirchen-Vluyn · Einmal in der Woche, mittwochs ab 16 Uhr, knien sich im alten Pfarrhaus Männer auf den Boden - nicht zum Gebet, wie der Ort nahelegen würde, sondern um zu prüfen, ob die Kette am Fahrrad richtig sitzt, der Reifen noch ausreichend Luft hat oder "eiert".

 Die Radler und ihre Helfer bei der Arbeit. Karin Heintel (Mitte) von der Diakonie koordiniert die Aktivitäten.

Die Radler und ihre Helfer bei der Arbeit. Karin Heintel (Mitte) von der Diakonie koordiniert die Aktivitäten.

Foto: Arnulf Stoffel

Im vergangenen Herbst haben sich mehrere Ehrenamtler zusammengetan und im einstigen Pfarrbüro eine Fahrradwerkstatt gegründet. Ihr Vorhaben: Räder oder Ersatzteile, die nicht mehr gebraucht werden, zu sammeln und dafür Flüchtlingen einen fahrbaren Untersatz zu verschaffen, der ihnen das Leben leichter macht. Der Kern der Gruppe sind sieben Männer aus Neukirchen und Vluyn, darunter Willi Bornemann, Klaus Bittmann, Christian Woller, Volker Arians und Jochen Lobnig.

Die Arbeit lief gut an und die Fahrräder wurden den Helfern von den Bedürftigen, wie man so sagt, aus den Händen gerissen. Bis man zum Schluss kam, der Sache etwas mehr Struktur zu geben. Die Grafschafter Diakonie, die sich in Neukirchen-Vluyn um die Betreuung der Flüchtlinge kümmert, führt mittlerweile Listen, die helfen, die Fahrräder nach bestimmten Kriterien an die einzelnen Familien oder Personen abzugeben.

"Pfarrer Frank Rusch hatte uns darauf angesprochen", sagt die Koordinatorin Karin Heintel. Die Räder werden nicht umsonst abgegeben, die Käufer werden um einen Obolus von zehn Euro gebeten. Das Geld wandert natürlich in die Werkstattkasse zurück.

Auch gestern Nachmittag waren einige Besucher zur Bruchstraße gekommen und schraubten in der Einfahrt an ihren Fahrrädern herum. Manche Flüchtlinge haben sich mittlerweile dem Werkstattteam hinzugesellt, helfen regelmäßig mit. "Man merkt, dass sie oft gute mechanische Kenntnisse haben", meint die deutsche Kernmannschaft. Beim gemeinsamen Reparieren erwerben die neuen Helfer auf diese Weise auch Sprachkompetenz, wenn es um mechanische Begriffe geht.

Und das sind wiederum wertvolle Erfahrungen, wenn die Diakonie sich um die Vermittlung dieser Personen in Praktika oder andere Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt bemüht. So greift bei dem Projekt eins ins andere, wie bei einer gut laufenden Fahrradkette eben.

Allerdings wird der Werkstatt das alte Pfarrhaus nur noch bis zum Sommer zur Verfügung stehen. Sie halten bereits Ausschau nach neuen Räumlichkeiten. "Vielleicht findet sich etwas auf einem Bauernhof der Umgebung", meint Klaus Bittmann. Vorschläge sind auf jeden Fall willkommen.

Und wer die Arbeit der Werkstatt mit Material unterstützen möchte, der sollte alte, aber noch brauchbare Fahrräder oder Ersatzteile vorbeibringen, wie gesagt, mittwochs um 16 Uhr. "Rund 100 Räder", schätzen die Ehrenamtler, seien bereits seit September durch ihre Hände gegangen.

Kontakt aufnehmen können Interessierte über das Büro des Treffs 55 (Grafschafter Diakonie) unter 02845 21653 oder per E-Mail bei der Direkten Flüchtlingshilfe unter info@nvhilft.de

(s-g)
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