Fallschirmsprung aus 4000 Metern Neukirchener Erziehungsverein erfüllt kranken Frauen Herzenswunsch

Neukirchen-Vluyn · Mit einem freien Sprung aus 4000 Metern geht für Leonita Salja und Katrin Sickert ein Traum in Erfüllung, denn beide Frauen leiden an einer unheilbaren Krankheit.

 Unbeschreiblichres Gefühl: Nach dem Ausstieg aus dem Flieger folgt 60 Sekunden lang der freie Fall. Auf einer Höhe von 1800 Metern öffnet der Tandempilot den Fallschirm. Der Gleitflug bis zur Landung auf einer Wiese dauert dann knapp zehn Minuten.

Unbeschreiblichres Gefühl: Nach dem Ausstieg aus dem Flieger folgt 60 Sekunden lang der freie Fall. Auf einer Höhe von 1800 Metern öffnet der Tandempilot den Fallschirm. Der Gleitflug bis zur Landung auf einer Wiese dauert dann knapp zehn Minuten.

Foto: Neukirchener Erziehungsverein, Björn Stürz

Auf dem Privatflugplatz nahe Blankenheim in der Eifel ist die Cessna Caravan startbereit. Es sind nur noch wenige Minuten, bis Leonita Salja und Katrin Sickert nacheinander gemeinsam mit einer Gruppe Fallschirmspringer zu ihrem ersten Fallschirmsprung abheben werden. Mit diesem freien Sprung aus 4000 Metern geht ein Herzenswunsch in Erfüllung, denn beide Frauen leiden an einer unheilbaren Krankheit. Es ist auch ein Wettlauf mit der Zeit, denn schon sehr bald kann die gesundheitliche Verfassung diesen Sport nicht mehr zulassen.

Leonita Salja, Schülerin der 10. Klasse in der Krefelder Montessori-Schule, absolvierte im Februar dieses Jahres im Pflegezentrum Gerhard-Tersteegen-Haus ein zweiwöchiges Schulpraktikum im Sozialen Dienst der Einrichtung. Die 16-Jährige leidet seit drei Jahren an der Erbkrankheit Friedreich Ataxie, einer degenerativen Erkrankung des zentralen Nervensystems, in deren Folge häufig Erkrankungen des Herzmuskels und Verformungen der Wirbelsäule auftreten können. Diese Krankheit ist bis jetzt unheilbar und verläuft letztlich tödlich. Geh- und Sprechstörungen und eine allgemeine muskuläre Schwäche führen bereits jetzt dazu, dass das junge Mädchen auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Das hindert sie nicht daran, ehrgeizige Ziele zu verfolgen. „Nach der Montessori-Schule möchte ich meinen qualifizierten Hauptschulabschluss in einem Internat in Bad Honnef bei Bonn machen und danach eine Ausbildung in einem sozialen Beruf, am liebsten als Alltagsbegleiterin von Menschen, die wie ich auf Hilfe angewiesen sind“, sagt sie selbstbewusst.

Nach der ersten Woche sind alle Beteiligten sehr zufrieden; ganz besonders in der Wohngruppe für Bewohner mit demenziellen Erkrankungen ist Leonita gern gesehen, denn sie hört aufmerksam zu, wenn die alten Menschen Geschichten aus ihrem langen Leben erzählen. Leonies Schicksal berührt die Senioren sehr. Bei einem Kaffeenachmittag erzählt Leonita von ihrer Krankheit. „Ich denke nicht daran, dass meine Krankheit tödlich sein könnte“, sagt sie. Auf die Frage, was sie auf jeden Fall gerne noch einmal tun würde, äußert Leonita einen mutigen Wunsch: Fallschirmspringen.

Als Katrin Sickert das hört, ist sie gleich Feuer und Flamme: „Wenn das möglich ist, dann bin ich dabei. Das wollte ich schon immer einmal tun“, sagt die 51-Jährige, die seit mehr als fünf Jahren im Gerhard- Tersteegen-Haus lebt. Sie ist an Multipler Sklerose erkrankt und braucht wie Leonita Salja einen Rollstuhl in ihrem täglichen Leben. Eine starke Frau, die in ihrem eigenen Blog im Internet über ihre Erlebnisse in ihrer Pflegeeinrichtung, ihre Empfindungen und Wünsche offen kommuniziert.

Judith Faust ist von dem Projekt sofort begeistert und begibt sich auf die Suche nach einem geeigneten Anbieter für Tandemsprünge in der Umgebung. Sie wird schnell fündig; auf einem kleinen Flugplatz in der Eifel bietet die Fallschirmsport Sky Fun Gesellschaft Tandemsprünge an. Im Juli dann das Startsignal: Es ist ein schöner Sommertag, die Windverhältnisse laut Veranstalter optimal. Nach zweieinhalb Stunden erreichen die „Freifallspringerinnen“ mit ihren Betreuern und Angehörigen den Flugplatz. Tandempilot Björn Stürz, spezialisiert auf Sprünge mit Menschen mit Behinderung, weist Leonita und Katrin Sickert ein. Ganz besonders wichtig ist die Landung, denn dann müssen beide eigenständig ihre Beine in die Höhe heben – eine Kraftanstrengung, die mehrmals geübt werden muss und beiden einiges abverlangt. Danach kleiden die Betreuerinnen sie mit einem Sprunganzug, Kappe und Gurtzeug ein.

Rund 15 Minuten dauert der Steigflug der Cessna. Dann erreicht sie die Sprunghöhe von 4000 Metern. Björn Stürz gibt das Kommando zum Sprung aus der Luke. Nach dem Ausstieg aus dem Flieger folgt 60 Sekunden lang der freie Fall. Auf einer Höhe von 1800 Metern öffnet der Tandempilot den Fallschirm. Der Gleitflug bis zur Landung auf einer Wiese dauert dann knapp zehn Minuten. Sicher auf der Erde angekommen, sind beide überglücklich. „Vor dem Absprung war es mir etwas unheimlich. Ich habe einfach kurz die Augen geschlossen. Aber danach habe ich mich so schwerelos gefühlt wie ein Vogel“, berichtet Katrin Sickert. Ganz andere Erfahrungen macht Leonita: „Das Herausspringen war das Schönste. Für einen Moment habe ich einfach alles vergessen.“

Beide Sprünge wurden von Björn Stürz vom Briefing bis zur Landung mit einer Videokamera aufgenommen. Das Erlebte hat die darauffolgenden Tage nachgewirkt. Leonita hat ihre Freunde auf ihrem Instagram-Account mit Film und Fotos begeistert; Katrin Sickert ihre Follower mit ihrem Sprung-Video in ihrem Blog. Für die beiden sehr unterschiedlichen Frauen wird dieser Tag für immer unvergesslich bleiben.

Andrea Leuker ist Öffentlichkeitsarbeiterin des Erziehungsvereins Neukirchen

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