Neukirchen-Vluyn Knopf im Ohr schützt Musiker vor Lärm

Neukirchen-Vluyn · Der Hör-Akustiker Reinhard Dageförde hat in Zusammenarbeit mit der Band Slik Tiger ein In-Ear-Monitoring entwickelt. "Mit den Dingern im Ohr hast Du nicht dieses Ohrenrauschen nach einem Konzert", sagt Gitarrist Jens Lammert.

 Slik-Tiger-Sängerin Eva Löser im Konzert. Sie hat ihre In-Ear-Kopfhörer mit Schmucksteinchen besetzen lassen.

Slik-Tiger-Sängerin Eva Löser im Konzert. Sie hat ihre In-Ear-Kopfhörer mit Schmucksteinchen besetzen lassen.

Foto: Helene Claußen

Hörschäden sind unter Musikern verbreitet. Beethoven und Smetana wurden stocktaub, und unter den Stars der Gegenwart bekennen sich Phil Collins, Eric Clapton oder auch Sting zu ihrer Schwerhörigkeit. Die Ursache liegt zumindest bei Clapton und Co. nahe: Musiker sind heutzutage oft einem Schallpegel ausgesetzt, der dem von Winkelschleifern oder Presslufthämmern gleicht. Unterschied: "In Betrieben wird die Lärmprävention großgeschrieben. Arbeitsmediziner, Sicherheitsbeauftragte und die Berufsgenossenschaft achten darauf, dass an Maschinen Gehörschutz getragen wird. Bei Musikern gibt es das alles nicht."

Das sagt Reinhard Dageförde, Sachverständiger für Hörakustik mit Geschäften in Neukirchen-Vluyn und Duisburg. Der 59-Jährige hat in Zusammenarbeit mit der Moerser Band Slik Tiger ein "In-Ear-Monitoring" entwickelt, das die Ohren der Künstler schont und vergleichsweise wenig kostet. Es handelt sich um individuell angepasste Ohrstöpsel, die mit je einem oder zwei kleinen Lautsprechern versehen sind - man könnte auch sagen: maßgefertigte In-Ear-Kopfhörer. Die Stöpsel (fachmännisch: Otoplastiken) dämmen zum einen deutlich den Umgebungslärm. Zum anderen dienen sie Musikern als Ersatz für die Monitor-Boxen, über die sie auf der Bühne sich selbst und ihre Bandkollegen hören können.

 Reinhard Dageförde beim Hörtest mit Jens Lammert. Im Vordergrund: Die maßgefertigten Kopfhörer des Gitarristen.

Reinhard Dageförde beim Hörtest mit Jens Lammert. Im Vordergrund: Die maßgefertigten Kopfhörer des Gitarristen.

Foto: Klaus Dieker

"Während eines Konzerts, wenn die Stimmung steigt, werden die Boxen immer weiter aufgedreht, irgendwann wird es höllenlaut", sagt Jens Lammert, Gitarrist von Slik Tiger. Mit dem Knopf im Ohr hört er seine Kollegen gerade so laut, wie er es braucht und wünscht. Die Band hat Dagefördes Otoplastiken getestet und für gut befunden. "Für sehr gut", betont Lammert. "Mit den Dingern im Ohr hast Du nicht dieses Ohrenrauschen nach einem Konzert." Er sei nur noch einem Drittel des Lärms ausgesetzt, der ihm früher um die Ohren flog. Dem Spaß an der Musik schade dies nicht.

Dageförde ist ein großer Musikliebhaber. "Zum Musiker hat es bei mir selbst aber nie gereicht." Jens Lammert hatte er bei der Abifeier seines Sohnes am Adolfinum als Musiker erlebt; beide haben 2011 an dem Moerser Gymnasium ihren Abschluss gemacht. Vor einigen Monaten traf Dageförde Lammert bei einem Konzert wieder. "Ich dachte: laut hier." Man kam ins Gespräch - so geriet der Akustiker an die geeigneten Versuchskandidaten für seine Entwicklung.

In-Ear-Monitoring ist in Musikerkreisen vom Prinzip her nicht neu. "Was man sonst zu kaufen bekommt, passt aber nicht so genau ins Ohr und ist viel, viel teurer", sagt Jens Lammert. Je nach Ausführung kosten die Otoplastiken von Dageförde maximal 500 Euro, auch für die Hälfte ist man aber schon dabei. "Ich weiß, dass der Preis für junge Leute eine große Rolle spielt", sagt der Akustiker. Für die Otoplastiken (von griechisch otos für Ohr und plastein für formen) nimmt er zunächst Silikon-Abdrucke der Musiker-Ohren. Sie dienen als Vorlage für die passgenauen Ohrstöpsel, die Dageförde im Drei-D-Druck herstellen lässt. Das Material ist ein hautfreundlicher Kunststoff. "Er ist hochgradig siliziumhaltig und damit glasähnlich." Mit jedem Musiker macht Dageförde zudem Hörtests mit und ohne In-Ear-Monitoring. So könne er den Erfolg des Gehörschutzes garantieren.

Bei Tests mit den Mitgliedern von Slik Tiger hat Dageförde festgestellt, dass ein 24 Jahre altes Bandmitglied schon einen ernsten Hörschaden hat. Für Bandleader Jens Lammert erst recht ein Grund, die gesamte Gruppe mit dem In-Ear-Monitoring auszustatten. "Unsere Sängerin hat sogar welche, die mit Strass-Steinen besetzt sind."

Wenn Lammert selbst ein Konzert besucht, benutzt er die Otoplastiken als normale Ohrstöpsel. "Man kann sich noch gut unterhalten und hört die Höhen viel besser als mit anderen Stöpseln." Auf den Schutz zu verzichten und die Musik insgesamt leiser zu drehen, wäre natürlich einfacher. "Aber so weit wird es leider nie kommen."

(RP)
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