Neukirchen-Vluyn Hier gilt die "Lizenz zum Trödeln"

Neukirchen-Vluyn · Musikkabarettistin Stefanie Kerker trat im Clubhaus mit Spaß auf die Bremse.

 Kabarettistin Stefanie Kerker pries die Entschleunigung.

Kabarettistin Stefanie Kerker pries die Entschleunigung.

Foto: Prümen

Wie James Bond zieht Stefanie Kerker im Finale eine Pistole, allerdings eine aus rotem Kunststoff voller Wasser. Damit feuert sie Wassertropfen, die auf die Zuschauer herabregnen. Schließlich nennt sie ihr Programm "Lizenz zum Trödeln", angelehnt an den James-Bond-Film "Lizenz zum Töten" aus dem Jahr 1989 mit Hauptdarsteller Timothy Dalton. Als der in die Kinos kam, war sie 17. Stefanie Kerker wechselt zum Originaltitel, "Licence to kill", um als Parole für den Abend "Licence to chill", die Lizenz zum Ausspannen, auszugeben.

Das ist der Unterschied zwischen Film und Kabarett: In ihrem Programm, mit dem Kerker im September 2017 in Stuttgart Premiere feierte und nun im Vluyner Clubhaus gastierte, geht es um die Entschleunigung, während sich der Spionage-Thriller um die Beschleunigung dreht. Er beschleunigt das Herz, wie bereits der Film-Titelsong, der von Gladys Knight gesungen wurde. Stefanie Kerker hingegen fühlt den Puls der Gesellschaft, der im digitalen Zeitalter immer schneller zu werden scheint. Im Erfolgswahn des Kapitalismus muss jeder persönlich noch höher und noch weiter kommen.

Kerker erzählt, wie sich Menschen miteinander vergleichen. Mit ihrer Freundin Anke habe sie gezählt, wie oft sie an einem Tag versucht habe, ein Original zu sein. Sie habe 24 Male notiert, ihre Freundin habe mit 25 gesiegt. "Originalsein ist die neue Norm", hält die Künstlerin den 40 Gästen an der Schöttenstraße den Spiegel vor. "Das Abheben von der Masse, die Individualität, ist ein Massengefühl."

Die Westfälin, die in Schwaben lebt, analysiert mit langem Atem und sensiblen Worten. Die Musikkabarettistin, die ein Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart abschloss und eine Schauspielausbildung im schwäbischen Backnang durchlief, huldigt dem Zeit-Vertrödeln. Sie spielt Ukulele, Akkordeon, Blockflöte, Klangschalen und Boomwhackers, unterschiedlich lange Kunststoffrohre. Dazu singt sie, einmal sogar während sie in die Blockflöte bläst und die Zuschauer den Titel "Der Mond ist aufgegangen" rasch erkennen. Ihr Programm ist ein Entschleunigungskonzept, in dem sie den Pulsschlag fast aussetzen lässt, um den "Fluggästen"das Zeitgefühl zu nehmen. So vergingen zwei Stunden - wie im Flug.

(got)
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