Neukirchen-Vluyn Groko spaltet Vluyner Genossen

Neukirchen-Vluyn · Bei der Jahreshauptversammlung diskutierten die Neukirchen-Vluyner Sozialdemokraten stundenlang - und waren am Ende uneins. Vorsitzende Elke Buttkereit stimmt auf dem Sonderparteitag in Bonn über die Große Koalition mit ab.

 Günter Zeller spricht sich bei der Jahreshauptversammlung des Neukirchen-Vluyner SPD-Ortsverbandes klar gegen eine Große Koalition aus. Er möchte die inneren Parteistrukturen verbessern.

Günter Zeller spricht sich bei der Jahreshauptversammlung des Neukirchen-Vluyner SPD-Ortsverbandes klar gegen eine Große Koalition aus. Er möchte die inneren Parteistrukturen verbessern.

Foto: Klaus Dieker

Es wird ein langer Abend für die Neukirchen-Vluyner Sozialdemokraten. Im Knappenverein an der Holtmannstraße sitzen 43 Mitglieder an zwei langen Tischreihen zusammen, einige von ihnen mit erhitzten Gesichtern. Das Gesprächsthema Nummer eins: Die Große Koalition, über die in wenigen Tagen auf dem Sonderparteitag abgestimmt werden soll. Elke Buttkereit wird dort den Neukirchen-Vluynern eine Stimme geben.

Als sie aufsteht und ihrem Ärger über das "schwache Sondierungspapier" Luft macht, erfährt Buttkereit laute Zustimmungsrufe. "Frau Merkel glaubt, dass diese Ergebnisse die Grundlage dafür bilden können, dass es den Menschen in 15 Jahren noch genauso gut gehen wird wie heute. Ich sehe das nicht so", ruft sie. "Mein Ziel ist es, das Leben in Deutschland modern zu gestalten und den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken." Sie macht eine Pause, fährt dann fort: "Es kann doch nicht sein, dass die Familienzeit, für die ich mich einsetze, oder die Bürgerversicherung, gar kein Thema mehr sind. Dafür wird es eine Obergrenze geben, gegen die wir uns klar ausgesprochen haben." Buttkereits Gesicht ist gerötet, sie schaut mit festem Blick in die Runde. "Die Sozialdemokratie fehlt. Wie seht ihr das?"

Die Antworten sind vielfältig, die Meinung der Mitglieder zu einem schwarz-roten Bündnis ist gespalten. Jochen Gottke spricht von den Erfolgen der Großen Koalition in acht Jahren Regierungszeit: "Wir haben in der Finanzkrise während der ersten Groko goldrichtig gehandelt. Und beim zweiten Mal haben wir den Mindestlohn durchgekriegt. Die Grundrente könnte unsere nächste kleine Revolution sein." Die Grundrente sei noch zu wenig, aber ein Einstieg sei damit immerhin geschafft, wiegelt Gert Lück ab. "Allerdings können wir auch nicht erwarten, dass sich alles sofort regelt. Wir müssen was dafür tun. In einer Großen Koalition könnten wir die Bürgerversicherung durchbekommen. Und: Wir müssen unser Profil deutlich machen", mahnt er mit Blick auf die ernüchternden Ergebnisse der Bundestagswahl.

Günter Zeller dagegen nimmt die Worte des CSU-Politikers Alexander Dobrindt auf, als er sich gegen eine Groko ausspricht: "Ich bin wohl ein Zwerg und probe den Aufstand", ruft er. "Wie viele Schüsse müssen wir noch gegen den Bug bekommen, bevor wir endlich kapieren, dass wir unsere innere Struktur verändern müssen?" Auch für Rolf Heber liest sich das Sondierungspapier wie ein "verbessertes ,Weiter so'": "Da sagt Andrea Nahles doch glatt, wir hätten mit dem Meister-Bafög einen großen Erfolg erzielt. Dabei kann ich mich daran erinnern, dass das vor Jahren bei der CDU im Wahlprogramm stand, nicht bei uns", sagt er mit einem Kopfschütteln. "Wenn wir die Groko eingehen, werden wir weitere Parteiaustritte erleben. Wenn wir es nicht tun, zerreißt uns die Presse in der Luft."

Kritisiert wird auch, dass die SPD-Führungsspitze keine Nachbesserung der Sondierungsergebnisse verspreche. "Die Elite tut so, als sei es das gewesen - dabei kommen die Koalitionsgespräche doch noch", empört sich Helmut Heith. "Ich bin über 80, begleite die Partei seit vielen Jahren und kann sagen: Das hier ist die schlimmste Situation seit 70 Jahren! Egal, wie es ausgeht - das wird die Partei zerreißen." Buttkereit nickt. Sie wirkt erschöpft.

Dreieinhalb Stunden sind vergangen. "Ich werde Sonntag dagegen stimmen", sagt sie. Einige klatschen, andere schütteln den Kopf.

(RP)
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