Freizeit in Neukirchen-Vluyn Ein Stück Heimat zwischen Himmel und Erde

Neukirchen-Vluyn · Taubes Gestein? Von wegen! Hier öffnen sich Horizonte. Auf der Halde Norddeutschland kommen Besucher in den Freizeit-Himmel.

 Für das Stadtmarketing ist die Halde Norddeutschland eine echte Landmarke – sagt Stadtsprecher Frank Grusen. Links: RP-Redakteur Dirk Neubauer.

Für das Stadtmarketing ist die Halde Norddeutschland eine echte Landmarke – sagt Stadtsprecher Frank Grusen. Links: RP-Redakteur Dirk Neubauer.

Foto: Arnulf Stoffel (ast)

Exakt 102 Meter über Normal-Null sieht Frank Grusen die Welt von einer höheren Warte aus. „Die Halde Norddeutschland ist Landmarke, Sport- und Freizeitstätte, Festivalbühne – kurz: ein starker Touristenmagnet für Neukirchen-Vluyn und die gesamte Region.“ Der Leiter des Stadtmarketings sitzt auf dem Sockel des Haldenhauses und zeigt auf die beiden Fördertürme der Ende 2001 geschlossenen Zeche Niederberg. Um an die Kohle zu kommen, mussten die Bergleute mehr als 80 Jahre lang eine Menge Stein beiseite räumen. 80 Millionen Tonnen Bergematerial türmen sich heute zu einem in dieser Form einzigartigen Gesamtkunstwerk.

Die Halde ist Heimat für sehr viele Menschen. Für Reisende auf den Autobahnen A57 oder A42 ist sie ein Zeichen. Das Haldenhaus setzt dem Ganzen die Krone auf. 2006 schuf die Rotterdamer Planergruppe Observatoriums die Stahlkonstruktion nach den Umrissen eines typisch niederrheinischen Wohnstallhauses aus dem 13 bis 15. Jahrhundert. 15 mal 18 Meter groß und zehn Meter hoch erhebt sich die Konstruktion. Die Athener Akropolis steht auf einem ähnlich hohen Sockel.

 Gleitschirmflieger und Kite-Drachen-Bändiger nutzen die beständigen Winde auf dem Haldentop in gut 100 Metern Höhe.

Gleitschirmflieger und Kite-Drachen-Bändiger nutzen die beständigen Winde auf dem Haldentop in gut 100 Metern Höhe.

Foto: Dirk Neubauer

Drumherum tummeln sich auf einer Fläche von 113 Fußballfeldern Wanderer, Spaziergänger – modern: Walker, Radler, Kite-Drachenflieger, Läufer, Reiter auf der Halde. „Das Schöne ist, dass hier alle Nutzer gut miteinander auskommen“, freut sich Franz Frings, der Vorsitzende des Stadtsportverbands Neukirchen-Vluyn. „Die Halde ist ein echte Aushängeschild für Neukirchen-Vluyn.“ Völlig konfliktfrei geht es allerdings nicht zu – zwischen Himmel und Erde. Seit die Halde Norddeutschland aus der Bergaufsicht entlassen wurde, gehört sie dem Regionalverband Ruhr. Und der habe das Temperament einer großen Behörde, schimpft ein Mountainbiker, der auf dem Haldentop seine Kreise zieht. Der direkte Weg abwärts ist ihm versperrt. Die von den Mountainbikern selbst gebaute Abfahrtsstrecke wurde kurz vor Weihnachten vom Regionalverband still gelegt – unter anderem wegen der Unfallgefahren. Haftungsgründe. Die Verkehrssicherungspflicht. Nach den aktuellen Grünpflegearbeiten am Haldenhang lagen die Baumstämme so, dass die Mountainbike-Strecke im Mittelteil tatsächlich nicht mehr befahrbar ist.

Jetzt sei ganz eindeutig Diplomatie gefragt, sagt Franz Frings: „In unseren Gesprächen mit dem Regionalverband sind wir aber längst auf einem guten Weg.“ Deshalb möchte er sich durch Geschimpfe den gerade wieder neu geknüpften Gesprächsfaden nicht kaputtmachen lassen und hofft, dass sich bis zu den Sommerferien eine für Beteiligten zufriedenstellende Lösung finden wird.

 Über 359 Stufen der Ebene entkommen: die Himmelstreppe.

Über 359 Stufen der Ebene entkommen: die Himmelstreppe.

Foto: Dirk Neubauer

Diesen Status musste sich der von Menschenhand geschaffene Berg erst erarbeiten. Überwiegend Schiefer liegt hier – unter 20 Zentimetern Mutterboden. Die ersten Kultivierungsmaßnahmen auf einer nur halb so dicken Erdschicht scheiterten, weil die Pflanzen- und Baumwurzeln nach drei Jahren auf Schiefer stießen und eingingen. Doch nun zeigt sich die Halde ringsherum von ihrer grünen Seite. Sie ist ein Naturschutzgebiet – was manche Zeitgenossen nicht daran hindert, hier ihren ganz privaten Müll abzuladen und die öffentlichen Anlagen mutwillig zu zerstören.

 Heimatlogo-Herz_SERIE

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Foto: RP/Podtschaske , Alicia
 Sammelten im Oktober Müll auf der Halde: (vl.) Helmut Hirschfeld, Jane Mastnak und Nadine Oedinger.

Sammelten im Oktober Müll auf der Halde: (vl.) Helmut Hirschfeld, Jane Mastnak und Nadine Oedinger.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Gegen alte Müllsäcke, rostige Fahrräder, betagte Autoreifen helfen in regelmäßigen Abständen die Dreck-Weg-Tage. Für die immer wieder zerstörte Beleuchtung unter dem Handlauf der Himmeltreppe hat die Stadt, die auf den 359 Stufen die Verkehrssicherungspflicht innehat, bislang keine dauerhafte – und bezahlbare Lösung gefunden. Der schnelle, aber sportliche Aufstieg ist in manchen Abschnitten dunkel, wie all jene ganz genau wissen, die sioch das Feuerwehr zuum Jahreswechsel von der Halde aus anschauen. Während die Raketen in den Himmel zischen und in allen Regenbogenfarben explodieren, treffen sich an der Halde Ruhrgebiet und Niederrhein, verwischt sich der Bindestrich zwischen Neukirchen und Vluyn. Denn die Halde Norddeutschland ist für alle da.

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