Neukirchen-Vluyn Ein Drucker nimmt Abschied

Neukirchen-Vluyn · Mit dem neuen Jahr ist die "NV-Offsetdruckerei" an der Niederrheinallee Geschichte. Gegründet wurde der Betrieb im Jahr 1895. Der letzte Inhaber engagiert sich nun bei der Gründung eines Druckmuseums in der Lüneburger Heide.

 Fritz van Rechtern an seiner geliebten Linotype. Die Geschichte seines Handwerks hat ihn immer fasziniert. Eine Ausstellung zu diesem Thema hatte er jüngst in den Räumen der Metzgerei Mevissen veranstaltet.

Fritz van Rechtern an seiner geliebten Linotype. Die Geschichte seines Handwerks hat ihn immer fasziniert. Eine Ausstellung zu diesem Thema hatte er jüngst in den Räumen der Metzgerei Mevissen veranstaltet.

Foto: Arnulf Stoffel

Eigentlich ist der Betrieb seit Samstag abgemeldet, doch wer Fritz van Rechtern in diesen Tagen besucht, der gewinnt den Eindruck, dass noch alles im vollen Schwung ist. Papier über Papier stapelt sich in der Druckerei, die Linotype, die Heidelberg, sie alle stehen noch auf ihrem Platz, und auch das Radio dudelt, als würde noch gearbeitet.

Doch Fritz van Rechtern, der 28 Jahre lang die NV-Offsetdruckerei geleitet hat, ist nur noch mit der Auflösung des Betriebs beschäftigt. Das allerdings, hat er gemerkt, ist eine Aufgabe, die es in sich hat. Ein Nachfolgekandidat ist kurzfristig abgesprungen. Andere möchten sich "nur die Filetstücke" sichern, sagt er. Noch wird die Druckerei den 62-Jährigen beschäftigen.

Van Rechtern liebt seinen Beruf. Er steckt voller Anekdoten über die Geschichte der Druckerei. In seinem Büro steht ein lebensgroßer Pappkamerad, der ihn in historischer Druckertracht zeigt. In dieser Kluft begleitete er "Nachtwächter" Peter Pechmann auf einigen Ortsführungen. Und er führte vor der Dorfkirche in Neukirchen den alten Brauch des "Gautschen" vor: Dabei wurden jene Kollegen, die diese "Taufe" noch nicht erlebt hatten, in Bütten getaucht. "Damit sollten die Sünden der Lehrzeit abgewaschen werden", sagt Van Rechtern und lacht.

Seine Lehrzeit hatte der gebürtige Rayener längst hinter sich, als er 1979 in den Betrieb eintrat, der damals noch an der Lindenstraße ansässig war und von Karl-Heinz Tiergrath geleitet wurde. "Zuvor hatte ich eine Stelle in Krefeld, doch damit war ich nicht zufrieden, mir fehlte der Publikumsverkehr." In den Räumen in Neukirchen waren Kunden immer willkommen, und sei es nur auf einen Plausch. Das Verhältnis zum neuen Chef war herzlich. "Wir haben großartig zusammen gearbeitet, wir verstanden uns blind", erzählt er. Es war bald klar, dass er die Druckerei übernehmen würde. Das war im Jahr 1989, im Jahr zuvor war der neue Standort an der Niederrheinallee bezogen worden.

Natürlich hat er sich in den vergangenen Jahren den neuen Techniken wie dem Laserdruck angepasst. Doch sein Herz, das bekennt er frei, gehört der Linotype und anderen alten "Schätzchen". Der Besucher spürt: Hier, zwischen den großen Maschinen und den Papierstapeln befindet sich einer in seiner Komfortzone. Dennoch hat er sich entschieden aufzuhören, wegen der Gesundheit seiner Frau. "Wir werden in die Lüneburger Heide ziehen", kündigt er an. Die Welt des Drucks wird ihn weiter beschäftigen: Zusammen mit Kollegen plant er die Gründung eines Buchdruckmuseums in Soltau. Van Rechtern ist in den Vorstand des Vereins gewählt worden. Einige Stücke, die dort ausgestellt werden sollen, stammen aus seinem Besitz. Er liebt Raritäten aus der Geschichte seines Handwerks. Und er hat Dokumente aus der Geschichte "seiner" Druckerei sorgfältig aufbewahrt. "Schauen Sie", sagt er und zeigt einige sichtlich alten Papiere mit Schriftzügen in Sütterlin. "Das sind Lohnlisten aus dem Jahr 1911."

Tatsächlich geht die Geschichte der Druckerei bis ins Jahr 1895 zurück. Der erste Inhaber war Heinrich Mandel jun., dessen Vater Waisenhausinspektor in Neukirchen war. "Daher die lange Verbundenheit mit dem Neukirchener Erziehungsverein", erklärt van Rechtern. Danach war zwei Generationen lang die fränkische Dynastie der Schlayers am Ruder. Fritz van Rechtern ist der fünfte Inhaber. Zu den Publikationen, die bis zuletzt hier gedruckt wurden, gehört auch das Organ des Werberings "NV aktuell".

Die Druckerei war während der Jahrzehnte seither nicht nur ein Ort der Arbeit, sondern auch ein Zentrum der Kommunikation im Ort. "Ich kann sagen, dass in diesen Räumen auch Politik gemacht wurde", sagt van Rechtern und sein bärtiges Gesicht bekommt einen listigen Gesichtsausdruck.

(s-g)
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