Neukirchen-Vluyn Der gefesselte Unternehmer

Neukirchen-Vluyn · Die Bundestagsabgeordnete Kerstin Radomski besuchte den Mittelständler Schwing Technologies.

 Kerstin Radomski (2.v.r.) im Gespräch mit Ewald und Thomas Schwing. Links: Wirtschaftsförderin Ulrike Reichelt.

Kerstin Radomski (2.v.r.) im Gespräch mit Ewald und Thomas Schwing. Links: Wirtschaftsförderin Ulrike Reichelt.

Foto: Dirk Neubauer

Mehr als 500 Europa-, Bundes- und Landes-Gesetze muss Schwing Technologies befolgen; Gesetze, die sich häufig ändern. Hinzu kommen die Regeln der Finanzverwaltung zur Aufbewahrung von Geschäftsdokumenten, GOBD. Sie umfassen 130 Seiten plus 250 Seiten Kommentar von Steuerberatern. Zudem wollen Exportbestimmungen, Arbeitsschutz und Umweltschutzauflagen beachtet sein. „Manchmal hat man das Gefühl, als Unternehmer ständig mit mindestens einem Bein im Gefängnis zu stehen“, sagte am Mittwoch Thomas Schwing. Zuhörerin war die CDU-Bundestagsabgeordnete Kerstin Radomski. Sie nahm den Hinweis mit nach Berlin, dass der Mittelstand noch nichts merkt vom Bürokratieabbau. Schwing: „Es wäre schön, wenn Sie da mal nachhaken könnten.“

Anderthalb Stunden lang nahm sich Radomski Zeit für das Vorzeigeunternehmen aus Neukirchen-Vluyn. Mehr als 80 Mitarbeiter sind in über 70 Ländern unterwegs. Verkauft, aufgebaut und gewartet werden Reinigungsanlagen für Werkzeuge in der kunststoffverarbeitenden Industrie. Mit mehreren hundert Grad Hitze oder im Vakuum geht es darum, Kunststoffreste von Metallteilen zu lösen.

„Dafür müssen wir seit der Firmengründung 1969 eine Menge tun“, sagte der Seniorchef Ewald Schwing. Und fand damit die Überleitung zu dem, warum die Bundespolitikerin derzeit im Mittelstand unterwegs ist. Kerstin Radomski ist in Berlin zuständig für den Einzeletat Bildung und Forschung. „Ich bin derzeit unterwegs, um mich um die Themen ‚Akquirierung von Fachkräften‘ und ‚berufliche Bildung‘ zu kümmern.“

Da hörte sie von den Schwing-Chefs ein „einerseits-andererseits“. Zum einen lobten sie ausdrücklich den Firmensitz am Niederrhein. In Bayern oder Baden-Württemberg sei es ungleich schwerer, Fachkräfte für ein Unternehmen zu gewinnen. Und weil die große Digitalisierung den Takt der Industrie bestimmt, fördern Thomas und Ewald Schwing nach eigenen Angaben jeden im Unternehmen, der sich weiterbilden will: „Gerade haben wir eine ganze Reihe junger Leute, die ein Abendstudium aufgenommen haben.“

Andererseits fresse auch hier die Bürokratie viele Ressourcen. Durch die Entsenderichtlinie sei es mittlerweile mit einem ungeheuren Aufwand verbunden, einen Servicetechniker innerhalb Europa für zwei, drei Tage zu einem Kunden zu schicken. Und mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel sagten bei Schwing-Chefs wie aus einem Mund;: „Wir von der Wirtschaft brauchen ein Einwanderungsgesetz, das nicht nur für Ingenieure aus anderen Ländern gemacht ist, sondern auch auf der Ebene der Techniker greift.“

Kerstin Radomski versprach, den Hinweisen nachzugehen. Und bald wiederzukommen.

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