Projekt „Demenz-Friends“ Das Positive an der Demenz sehen

Beim Pilotprojekt Demenz-Friends Niederrhein trafen sich Angehörige von Demenzerkrankten. In einem Tagebuch hielten sie fest, wie die schwierige Situation ihr Leben bereichert.

Die Projektteilnehmerinnen Elvira Gibbels (Mitte) und Britta Voss (gelbes Cape) mit (von links) Anneke van der Veen, Ulrike van den Berg und Albert Sturtz.

Die Projektteilnehmerinnen Elvira Gibbels (Mitte) und Britta Voss (gelbes Cape) mit (von links) Anneke van der Veen, Ulrike van den Berg und Albert Sturtz.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Angehörige von Krebspatienten oder psychisch erkrankten Menschen führen oft Tagebücher, in denen sie ihre Erlebnisse, Gefühle und Perspektiven festhalten. Als Albert Sturtz im Oktober 2018 den Jahreskongress der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft in Weimar besuchte, hatte er die Idee, auch Angehörige von Demenzkranken Tagebücher führen zu lassen. Sturz ist Fachberater für Demenz der Grafschafter Diakonie. Sie startete im Mai das Pilotprojekt „Demenz-Friends Niederrhein“, bei dem ein solches Tagesbuch im Mittelpunk stand. Jetzt wurde Bilanz gezogen.

„Am Anfang hatte ich Mühe“, blickte Elvira Gibbels zurück. „Ich konnte das Tagebuch nicht führen. Ich habe kein Licht gesehen.“ Die Duisburgerin pflegte damals ihren Mann zu Hause, der früh an Demenz erkrankte und heute in einem Heim lebt. Für sie war es wichtig, sich alle zwei Wochen im Treff 55 am Vluyner Platz zu treffen, um sich anderen Frauen und Männern auszutauschen, die ebenfalls Angehörige mit Demenz haben. „Ich war sehr froh“, erzählt sie. „Ich hatte Menschen, die mir zuhören konnten. Sie haben mich verstanden, weil sie das gleiche Schicksal haben.“

Britta Voss trug mehr und öfter in ihr Tagebuch ein, wie die schwierige Situation ihr Leben bereichert. Die Hülsdonkerin kümmert sich um ihren demenzkranken Vater und ihre Mutter, die körperlich auf Pflege angewiesen ist. Beiden lebten in Moers-Mitte, bevor sie in ein Heim zogen. „Ich habe nur noch funktioniert“, erzählte sie. „Ich bin zwischen Hülsdonk und Moers-Mitte hin- und hergesprungen, habe noch gearbeitet und mich um meine Familie gekümmert. Ich bekam Verspannungen. Irgendwann konnte ich nur noch mit Gehhilfen laufen.“ Bei den „Demenz-Freunden“ lernte sie, ihre Empfindungen und Perspektiven zu formulieren, wieder etwas an sich selbst zu denken und Schönes wahrzunehmen – zum Beispiel Sonnenaufgänge. „Ich habe Freunde kennengelernt, mit denen ich fast jeden Tag telefoniere.“ Auch nach Ende des Projekts führt sie das Tagebuch weiter und besucht jetzt eine Gesprächsrunde für Angehörige von Demenzerkrankten.

Im Frühjahr wollen sich die Teilnehmer erneut treffen. Bis dahin will eine angehende Psychologin Fragebögen auswerten, die die neun Männer und Frauen zu Beginn und zu Ende des Projektes ausgfüllten, um ihre Gefühlslage zu dokumentieren. Seniorenberaterin Ulrike van den Berg, Gesundheitsberaterin Anneke van der Veen und Albert Sturtz haben die Pilotgruppe begleitet. Sie würden gerne eine zweite Gruppe „Demenz-Friends“ ins Leben rufen. Da solche Gruppen nicht von Kranken- oder Pflegeversicherungen bezuschusst werden, suchen sie nach Mitteln. Das Pilotprojekt wurde über die Sparkassen-Stiftung, die Diakonie-Stiftung und Eigenmittel der Diakonie finanziert.

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