Neukirchen-Vluyn Seine Grenzen lieben lernen

Neukirchen-Vluyn · Autorin Andrea Wenk meint: „Die Welt braucht keine Superheldin“; eine Buchkritik.

 Die Autorin Andrea Wenk rät, seine Grenzen zu akzeptieren.

Die Autorin Andrea Wenk rät, seine Grenzen zu akzeptieren.

Foto: Neukirchener Verlag - honorarfrei -/Neukirchener Verlag

Der Babyblues junger Mütter und das Diät-Pingpong von Frauen jedes Alters, die ängstliche Selbstbeschränkung auf Gewohntes und die unbedingte Suche nach Perfektion, das Rennen zwischen Kita und Büro, zwischen Familie und Freunden: Was Andrea Wenk beschreibt, davon kann jede Leserin mindestens ein Lied singen. Wie sie es beschreibt, das ist leicht zu konsumieren und regt dazu an, im eigenen Leben nach dem Umgang mit sich selbst zu fahnden.

Die 38-jährige Autorin erzählt von den erlebten und selbst gebauten Grenzen ihrer Kindheit als evangelische Christin, die als dröge galt, und als angebliches Mathe-Nichttalent, das es gar nicht mehr versuchte sondern ihrem schlechten Ruf vertraute. Sie wandelt durch die Pubertät zum Start ins Erwachsenenleben, vom Leben in Thailand zur Rückkehr in die Schweiz, von der jungen Ehefrau eines Pfarrers zur dreifachen Mutter. Dabei kommt Andrea Wenk, die erst Pflegefachfrau lernt und jetzt als sozial-psychologische Beraterin und Seelsorgerin arbeitet, ihren Grenzen immer näher: Ja und Nein sagen, Selbstzweifel contra Versuch und Irrtum, Nichtstun statt Nachahmungsfrust. Es sind die ganz normalen Alltagserlebnisse, die Wenk hervorkramt, um ihr Selbstvertrauen zu formen: Der Autoreifen ist platt, die Tochter will nicht in die Jugendgruppe, Sport macht keinen Spaß, die alte Freundin meldet sich immer seltener und schließlich gar nicht mehr.

Ihre Ratschläge haben keinen Tipp-Charakter und dennoch kann man schnell herausfiltern, wo das richtige Packende ist, um sich das Leben leichter zu machen. In widrige Umstände wie kindergartenfrei, während beide Elternteile Termine haben, oder Streit am Mittagstisch kann man sich hineinsteigern oder man steigt aus dem Gefühlskarussell aus, zum Beispiel indem man einen anderen Blickwinkel einnimmt. Seine Grenzen – ob beim Handarbeiten, Kochen oder Joggen – kann man nach dem Austesten einfach tolerieren. Niemand ist gezwungen, seine Grenzen immer weiter zu stecken. Wer 1000 Meter in der Woche schwimmt, muss es nicht auf 2000 bringen – es sei denn, er will es. Dieses Fazit zieht Andrea Wenk: „Ich kann in Frieden mit meinen Grenzen leben, wenn ich bereit bin, mich immer wieder an ihnen entlang zu bewegen.“ Nur das Kapitel „Das Leben ist (k)ein Ponyhof“ wird bei jeder Reiterinnenmutter ein Kopfschütteln hervorrufen, weil es die kleinen Gemeinheiten und großen Intrigen auf dem Ponyhof ignoriert.

Andrea Wenk: Die Welt braucht keine Superheldin, Neukirchener Verlag, 14,99 Euro

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